Medienkunst alias Kunst der Neuen Medien ist in die Jahre gekommen. Computer haben sich als Inkarnation des eben noch en vogue gefeierten Informationszeitalters mit unerwarteter Geschwindigkeit und von vielen unbemerkt in den meisten Bereichen des täglichen und nicht alltäglichen Lebens eingenistet. Das einstige Air des Neuen, Utopischen kann der Informationstechnologie oder den mit ihr hergestellten Produkten durch deren gewöhnliche Allgegenwart nicht mehr attestiert werden. Dennoch scheint der Geist, die Speerspitze der (digitalen) Revolution verkörpern zu wollen, wie es in Rimbauds Gedicht bereits 1873 bedingungslos gefordert wird, auch heute ungebrochen zu wirken.
Medienkunst alias Kunst der Neuen Medien ist in die Jahre gekommen. Computer haben sich als Inkarnation des eben noch en vogue gefeierten Informationszeitalters mit unerwarteter Geschwindigkeit und von vielen unbemerkt in den meisten Bereichen des täglichen und nicht alltäglichen Lebens eingenistet. Das einstige Air des Neuen, Utopischen kann der Informationstechnologie oder den mit ihr hergestellten Produkten durch deren gewöhnliche Allgegenwart nicht mehr attestiert werden. Dennoch scheint der Geist, die Speerspitze der (digitalen) Revolution verkörpern zu wollen, wie es in Rimbauds Gedicht bereits 1873 bedingungslos gefordert wird, auch heute ungebrochen zu wirken. Diese ursprünglich als Verdacht geäußerte Beobachtung hat sich seit der andauernden Krise der Medienbranche in mehreren ihrer Bereiche zur Tatsache verfestigt. Sei es das Massensterben der dot.com Firmen, der massive Stellenabbau in der ITK-Branche, die Auflösung von Imperien der Unterhaltungsindustrie, die gesättigten Mobiltelefonie- und PC-Märkte oder in summa der seit Frühjahr 2000 kontinu- ierlich anhaltende Niedergang insbesondere der technologienahen Börsenindizes – viele Zeichen sprechen für das sich ankündigende Ende eines Innovationszykluses, der eine gute Zeit lang möglicherweise von überhitzten Hoffnungen auf ewig währendes Wachstum getrieben wurde.Eine Kunstform, die sich des Mediums der Stunde als Material ihrer Wahl bedient, schließt unausweichlich einen Pakt mit denjenigen Kräften, die dessen Wohl auf Gedeih und Verderb steuern. Inhärent ist jenen der Innovationscharakter, der Zwang zur fortwährenden Steigerung der technischen Leistungsfähigkeit, die sich Moores Gesetz zufolge bis auf weiteres exponentiell steigert, auf dass sie, mathematisch korrekt, eines Tages wird unendlich schnell wachsen müssen.
Es besteht eine große Versuchung, aufgrund des zur zweiten Natur gewordenen atemlosen Updatens die Materialität, die immanenten Funktionsmechanismen des Mediums zum Gegenstand der Konzepte und Produktionen zu machen. Ein Indiz dafür ist die Leichtigkeit, mit der mediale Produktionen abstrakt bleiben können, ohne unmittelbar zu langweilen. Oder defizitär ausgedrückt, wie mühelos, spielerisch und unterhaltsam sie die Absenz von Inhalt, „Content“, mit Aktivität kaschieren können. Dennoch kann nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass die starke Faszination für Medienkunst qua eines Neuen, Unerhörten, durch die bisher nicht gekannte Universalität ihres Mediums vieles, wenn nicht gar alles Versprechende nach einer bestenfalls zwei Jahrzehnte währenden Blüte stark nachgelassen hat.
Dem zeitgenössischen Stromkünstler stehen in dieser Situation zwei Möglichkeiten offen: A-, er wendet sich als fachfremder Quereinsteiger der „Schlüsseltechnologie“ der Saison zu und repliziert den bisherigen modus operandi. Die nächste als neu bewertete Technologie wird in Zusammenhängen, die ihrer zweckrationalen Verwendung enthoben sind, auf eine mehr oder minder sinnliche Art dem staunenden Publikum vorgeführt. Der Künstler schlüpft hierbei nicht ungern in die Rolle des Dompteurs, der als Avantgardist den staunenden Zurückgebliebenen seinen Wissensvorsprung zu präsentieren und diesen in Form genialischen Ruhms zu genießen gewillt ist.
Oder B-, der Fokus wird vom Material auf den Inhalt verschoben. Der Anspruch des abstrakten, Inhalte nur noch formalisiert enthaltenden Werks wird aufgegeben, das Material wird mit außermedialen Diskursen in Beziehung gesetzt und so mit Lebensweltlichem aufgeladen. Produktionen, die mit derartigem Content ausgestattet wurden, tendieren schnell dazu, gewollt, überfrachtet, in ihrer Narrativität seltsam antiquiert zu wirken und schaffen es gewöhnlich nicht, das Medium hinter der Message vergessen zu machen.
Als Beispiel sei die Technologie der „Virtual Reality“ genannt, deren Paradigma in der medienkünstlerischen Produktion umfassend rezipiert und adaptiert wurde. Zentral ist diesem die Trennung von körperlicher und sinnlicher Welt, die mit dem Begriff der Out-of-Body-Experience auf den Punkt gebracht werden kann. Für das Kunst rezipierende und oft auch mit ihr agierende Subjekt besteht während des Rezeptionsaktes keine unmittelbare Verbindung zwischen dem Wahrgenommenen und dem Träger dieser Wahrnehmung sowie dessen raumzeitlicher Stelle. Dem Verschwinden des Körperlichen stellt sich in letzter Zeit verstärkt eine Bewegung entgegen, die sich dem vormals als „real“ bezeichneten zuwendet. Das Virtuelle wird bewusst dem „Echten“ gegenübergestellt, zum Beispiel durch Integration von Tänzern, Schauspielern, Performern, Instrumentalmusikern. Diese Verknüpfung wird konsequent ins Extrem gesteigert, indem Künstler ihre Körper über Elektroden an die weltweiten Datenleitungen ankoppeln, durch die es jedem Interessenten offensteht, dessen Muskelströme per Browser fernzusteuern und dadurch rasante, konvulsivische Körperverbiegungen auszulösen. Das fatale Ergebnis dieses multi-user Veitstanzes kann von den Marionettenspielern freilich per Web-Cam in Echtzeit mitverfolgt werden. So mögen die letzten Zuckungen, die zur Apotheose gesteigerten Agonien des Virtuellen aussehen. Es bleibt spannend.