Erwartungsgemäß ließ die Kritik an RPS nicht lange auf sich warten. Netzaktivisten fürchten, dass solch ein System auch dazu benutzt werden könnte, andere unliebsame Inhalte zu sperren. Und der „Virtuelle Ortsverband“ der SPD bemängelte: „Eine Filterung nach Internetadressen würde zusammen mit urheberrechtswidrigen Dateien auch legale Veröffentlichungen von Künstlern im Netz auf diesen Seiten blockieren.“
Anfang März machte der Bundesverband der Phonographischen Industrie mit der Vorstellung eines Anti-Piraterie-Verfahrens Schlagzeilen: Das „Right Protection System“ (RPS) soll der Musik-Raubkopiererei im Internet endgültig einen Riegel vorschieben. Dazu plant der Verband, bei 50–70 deutschen Providern einen Filter zu installieren, der den Zugriff auf illegale Musikangebote im Netz verhindert. In erster Linie geht es dabei um Musikdateien im komprimierten MP3-Format, die häufig auf dubiosen russischen Servern liegen. Mit einer Negativliste soll der Zugriff auf diese Dateien in Zukunft aus Deutschland heraus nicht mehr möglich sein – virtuelle Grenzbeschlagnahme nennt das die Phonoindustrie.Urheberrechtsschutz oder Zensur? Erwartungsgemäß ließ die Kritik an RPS nicht lange auf sich warten. Netzaktivisten fürchten, dass solch ein System auch dazu benutzt werden könnte, andere unliebsame Inhalte zu sperren. Und der „Virtuelle Ortsverband“ der SPD bemängelte: „Eine Filterung nach Internetadressen würde zusammen mit urheberrechtswidrigen Dateien auch legale Veröffentlichungen von Künstlern im Netz auf diesen Seiten blockieren.“ Der Bundesverband der Phonoindustrie verwahrte sich jedoch gegen jeden Zensurvorwurf: „Wir wären die ersten, die gegen Zensur auf die Barrikaden gingen!“ heißt es auf den Verbandswebseiten. Das RPS-Verfahren wende sich nur gegen einzelne, konkret als illegal zu identifizierende MP3-Dateien. Schon jetzt werde RPS bei einigen Providern getestet. Dabei beweise es, dass es durchaus technisch möglich sei, Netzadressen sehr spezifisch zu sperren.Doch wie relevant sind diese Adressen wirklich? Wer einmal die Probe aufs Exempel macht und im WWW nach einem raubkopierten Song fahndet, stellt schnell fest: Kriminell werden ist gar nicht so einfach. Zwar liefern einschlägige Suchmaschinen wie http://mp3.lycos.com reichlich Treffer. Doch viele dieser Links sind bereits veraltet, oder die Musik liegt auf völlig überlasteten Servern.
Tauschbörsen jenseits des Web
Auch Shawn Fanning hat diese Erfahrungen gemacht. Da der 19-Jährige seine Zeit nicht mit sinnlosem Surfen vergeuden wollte, schrieb er letztes Jahr ein Programm namens Napster. Die Software ermöglicht das kinderleichte Tauschen von MP3s, ohne auf die unzuverlässigen Webserver angewiesen zu sein. Dazu meldet jeder Nutzer beim Programmstart dem Napster-Server, welche MP3s er selbst im Angebot hat. Im Gegenzug kann er nun auf die Sammlungen anderer Napster-Nutzer zugreifen. Fannings kleines Programm ist mittlerweile zu einem großen Kult unter MP3-Sammlern geworden. Auf rund 400 000 Songs lässt sich damit zugreifen, die meisten davon zweifellos illegaler Natur.
Lange musste Fanning deshalb nicht auf eine Klage der Recording Industry Association of America (RIAA) warten. Doch er verteidigt sich damit, dass seine Firma keinerlei verbotene Inhalte anbiete. Napster stellt lediglich den Server für die Suchanfragen, die Mp3s tauschen die Nutzer direkt untereinander aus – von Festplatte zu Festplatte sozusagen.
Noch einen Schritt weiter geht ein Programm namens Gnutella, das erst vor ein paar Wochen veröffentlicht wurde. Gnutella verzichtet komplett auf zentrale Server und leitet statt dessen Suchanfragen direkt von Nutzer zu Nutzer weiter. Obwohl das Programm sehr neu ist, kann man damit bereits auf rund 90 000 MP3-Dateien zugreifen. Dabei bilden die Gnutella-Nutzer eine Art Netz, das ständig neu geknüpft wird. Eine Kontrolle über feste Netzadressen, etwa durch das RPS-System, ist deshalb schlichtweg unmöglich.
Vor dem Hintergrund solcher Programme muss sich die Phonographische Industrie die Frage gefallen lassen, mit was sie RPS noch rechtfertigen will. Schließlich hat ein nationales Filtersystem immer auch einen schalen Beigeschmack. So erinnert es doch unwillkürlich an ein anderes Land, das sich umfangreiche „virtuelle Grenzkontrollen“ leistet: Die Volksrepublik China.