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Nicht nur konsumieren, sondern produzieren

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Von der kollaborativen Idee des Komponierens im Internet
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Mit der Entwicklung des Internets muss die Geschichte des Komponierens neu geschrieben werden. Längst ist der Komponist nicht mehr der einsame Maestro, der aus seinem eigenen Genie heraus die Noten mit Tinte und Feder aufs Papier setzt. Technologie und Fortschritt haben den Kompositionsprozess revolutioniert – und nicht selten ist vor allem bei elektronischen Stücken das Medium selbst, der Computer beziehungsweise das Internet, gleichzeitig auch Inspiration.

Das Spektrum reicht von anarchischen Remix-Helden über interaktive Klang-Installationen und audio-visuelle Online-Kunstwerke über kommerzielle Werbeprojekte bis zu kollaborativen Kompositions-Projekten. Gemeinsam ist all diesen modernen Tonwerken, von denen in diesem Artikel einige vorgestellt werden sollen, eines: Sie funktionieren nur durch und mittels der virtuellen Türen, die sich seit der „Ver-Cyberisierung“ in der Musikerwelt geöffnet haben.

Einer der engagiertesten Computermusik-Aktivisten ist Sergi Jordà. Als Professor an der Pompeu Fabra Universität in Barcelona, Spanien, ist er am Audivisuellen Institut für Multimedia und Digitale Kunst verantwortlich. Jordà beschäftigt sich seit 1984 mit dem Thema Computer und Musik, seit er sein Physikstudium abgeschlossen und sein Saxophon aufgegeben hatte. Mit der FMOL (F@ust Music Online) in Zusammenarbeit mit der elektro-experimentellen, spanischen Theater-Improvisations-Truppe La Fura dels Baus hat er sich einen Namen gemacht.

FMOL zählt zu den wenigen kollektiven Kompositions-Programmen, die noch frei online zugänglich sind. Andere Live-Jam-Projekte wie etwa ResRocketSurfer, bei denen sich Musiker mit Computer und Midi-Instrumenten in einem virtuellen Studio zu experimentellem Komponieren treffen konnten, sind leider nicht mehr existent. Midi-Mixe werden mittlerweile hauptsächlich im internen „Midimalisten-Kreis“ auf speziellen Sammelwebsites online gestellt und ausgetauscht. Ein Beispiel ist etwa Midifarm.com

War in den 90ern der interaktive Moment des neuen virtuellen Mediums noch mehr auf Musikerseite, hat sich heute der Rezipient, der Zuhörer, emanzipiert. Während von der breiten Öffentlichkeit Napster, Gnutella, Kazaa and Scour diskutiert werden, haben sich mittlerweile Nutzerkontrollierte Peer-to-Peer-Netzwerke etabliert, über die Tausende von Terabytes, ja Petabytes von Daten ausgetauscht werden. Alleine Direct Connect von wird im Durchschnitt von 110.000 P2P-Fans gleichzeitig genutzt, wobei der Datenaustausch fast doppelt so hoch ist wie bei den populären P2P-Programmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Musiker ganz vom Daten-Highway abgebogen sind – im Gegenteil. P2P-Filesharing hat der Musikwelt weitere Türen geöffnet und zudem zu einigen interessanten Remix-Projekten inspiriert. So kam im Juni dieses Jahres mit „WTF? Madonna Remix Projekt” ein Album auf den Markt (online erhältlich bei bLiP Records), das die Diskussion ums Copyright melodisch ironisiert.

Ausgangspunkt war ein von Madonna in die P2P-Netzwerke eingeschleuster Dekodierungs-Track, um das Herunterladen ihres neues Albums „American Life” zu verhindern. Klar, dass die P2P-Gemeinde ihre Warnung „What the fuck do you think you’re doing?” aufgriff und kompositorisch wiederverwertete. Die Ergebnisse können natürlich auch online auf der Madonna Remix Project Website angehört werden.

IriXx, einer der Initiatoren und Remix-Master, gesteht im Manifest zum Madonna-Projekt, dass er nicht nur stolz darauf sei, regelmäßig das P2P-Netzwerk zu nutzen, „meine Musik, die stark auf Samplen basiert, würde ohne File-Sharing nicht existieren (my music is heavily sample-based, it would not exist without the beauty of the file-sharing world)“. Seiner Meinung nach ist P2P „ein großer Schritt nach vorn hinsichtlich der menschlichen Kommunikationsmöglichkeiten und sollte in positivem und kreativem Sinne genutzt werden (peer networking is a massive leap forward in human communication, and should be put to positive and creative use).“

Gesagt, getan: In den 90ern stellten einzelne Rapper ihre Songs „A capella“ online, um musikalisch und technisch versierte Fans ihre eigenen Remixe abmischen zu lassen. Steven McDonald, Bassist von , hat vergangenes Jahr ein ganzes Album neu geschrieben. Im Rahmen eines so genannten „experimentellen Kunstprojekts“ bereicherte er zwei Songs der White Stripes-Platte „White Blood Cells“ mit einer Bass-Linie. Der Erfolg war so überwältigend, dass er die ganze CD online mit Bass einspielte, worauf die Internet-Veröffentlichung 60.000 Mal heruntergeladen wurde. Zwar sind die MP3-Files nicht mehr über die Reddkross Website beziehbar, aber über einige P2P Netzwerke sollten einige der Songs noch zu finden sein.

„Auf gewisse Weise ist mit diesem Online-Album der Traum, die Hoffnung verwirklicht, den viele Musikfans ins Internet setzten. Es ist nicht nur ein Beispiel dafür, wie Musiker ihr Werk direkt an ihren Fans zugänglich machen können, sondern auch wie die Gesetze der Industrie um der Kunst Willen umgangen werden können“, schreibt Neil Strauss über das Redd Blood Cells-Projekt in der New York Times.

In der Tat, das Internet hat viel Raum geschaffen für virtuellen Austausch zwischen den Musikern und mit den Fans. Kaum eine Band, ein Musiker, deren Biographie, Discographie, Tourdaten und Musikbeispiele zum Herunterladen nicht online zu finden sind.

Vor allem die elektronische Musikszene nutzt das online Medium für die globale Vernetzung. Ein Beispiel ist . Hier können Performances im Webcast oder Web-TV weltweit live verfolgt werden. Über will man sich bald per Streaming Media austauschen, wobei Ziel des Netzwerks ist, die akkustische Dimension des Internets auszuloten. Akademischer geht es auf der Website der Electronic Music Foundation zu. Und auf findet die Electronic-Szene eine Plattform, auf der sie sich über Software, Kompositionstechnik und andere Ideen austauschen kann. Monatlich wird auch ein Portal-basiertes Gemeinschafts-Remix-Projekt ausgeschrieben, zum Ausprobieren, Austauschen und zur offenen Kritik. Und das Portal wächst und wächst.

Letztlich haben Computer und Internet den Kompositionsprozess nicht nur revolutioniert, sondern auch demokratisiert. Das schlägt sich zum einem in kommerziellen Webspielereien (jüngstes Beispiel: http://www.spriteremix.com), zum anderen in der – immer leichter zu bedienenden – Software und natürlich in interessanten Kunstprojekten nieder, was uns wieder zu Sergi Jordà führt. Mit F@usto Music Online ermöglichte er der breiten Masse an einer globalen Komposition mitzuwirken, die dann tatsächlich als Soundtrack für zwei Performances von La Fura des Baus diente (1998 für F@usto und 200 für die Oper DQ). Noch immer kann die für die kollaborative Komposition notwendige Software gratis unter http://teatredigital.fib.upc.es/dq/eng/opera_web/fmol/tutorial. htm von jedem PC-Nutzer heruntergeladen werden.

Jordà hat sich außerdem dazu entschlossen, die Software in Linux und Open Source von interessierten Programmierern weiterentwickeln zu lassen. Und dann? Derzeit arbeitet das Team um Jordà an einem FMOL-kompatiblen Instrument, dem reacTable, wobei dieser on- und offline existieren soll. Komponiert wird durch das Platzieren und Bewegen von Objekten auf der Tischoberfläche, beziehungsweise den entsprechenden Simulatoren. Bis Frühjahr 2004 soll die erste Version des virtuell-realen musikalischen Tischlein-Deck-Dichs funktions- und experimentierfähig sein. Na dann, Bon Kompositions-Appetit!

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