Vor 100 Jahren: Erster Internationaler Musikpädagogischer Kongress in Berlin +++ Vor 50 Jahren: „Tage der Neuen Musik Hannover“
Vor 100 Jahren
Erster Internationaler Musikpädagogischer Kongress in Berlin – zur sozialen Lage der Musiklehrenden im Deutschen Reich: Eins der schlimmsten Pfuscherkonservatorien von Berlin, das sich nach keinem Geringeren als Mozart benannte, mehrere 1.000 Schüler hatte und u.a von einem 14-jährigen Jungen pro Tag bis zu zehn Klavierstunden erteilen ließ, wofür er 40 M. im Monat bekam, ist allerdings auf polizeilichen Befehl geschlossen worden. Aber den zahllosen Schwindelinstituten, bei denen der Teilzahlungsverkauf von Instrumenten viel wichtiger ist als der angepriesene Unterricht, der gewöhnlich „gratis“ erteilt wird, hat man nicht die geringsten Schwierigkeiten gemacht. Auch der umgekehrte Fall „Unterricht bei zwei Stunden in der Woche monatlich 3 M. und Instrument gratis“ blüht noch immer. Diese Institute stellen auch den „vorgeschrittenen“ Schülern Zeugnisse aus, die angeblich zur Lehrtätigkeit befähigen. Solche „Pädagogen“ bekommen auf ein derartiges Zeugnis (…) die Konzession zur Eröffnung einer Musiklehranstalt, die sie stolz „Konservatorium“ nennen. Eine an den preußischen Kulturminister eingereichte Petition fand die kühle sekretarische Ablehnung, die fast alle bisher vom Musikpädagogischen Verband eingesandten Petitionen gefunden haben. Resolution: Die Teilnehmer nehmen mit Bedauern Kenntnis von den in Deutschland obwaltenden unwürdigen Verhältnissen im Musikbildungswesen und erblicken als einzig möglichen Weg zur Besserung die Beaufsichtigung der Musiklehranstalten und aller an ihnen wirkenden Lehrkräfte durch von der Regierung zu berufende geeignete Fachleute.
Neue Musik-Zeitung, Jg. 34/1913, Heft 14, S. 274
Vor 50 Jahren
Den „Tagen der Neuen Musik Hannover“ bescheinigt Claus-Henning Bachmann eine „Glückliche Hand für Neue Musik“. Sie heben sich ab von anderen derartigen Veranstaltungen. Sie gelten nicht primär dem vorwärts drängenden und sich auch zuweilen im Kreise drehenden Experiment, sondern der Kommunikation. Träger sind die Musikalische Jugend Deutschlands, der Norddeutsche Rundfunk Hannover, das Landestheater Hannover und die örtliche Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik, sehr verschiedenartige Organisationen und Institutionen also, die hier schön zusammenarbeiten. In Hannover ist der Nachholbedarf an Neuer Musik vielleicht größer als in Städten vergleichbarer Rangordnung. So leistet das „Studio für Neue Musik“, für das die Musikalische Jugend und der Rundfunk gemeinsam zeichnen, die wesentlichsten Dienste als eine Studienstätte für junge Hörer. Ein erlebnisbereites Publikum nimmt im Sendesaal des Funkhauses entschieden Stellung – zu Werken, die anderswo kaum noch eine Reaktion hervorrufen, weil man die Machart dort schon kennt. Es kommt eine besondere Atmosphäre auf, die der Intimität. Man ist gleich unter sich. Jugend spielt junge Werke für die Jugend: Dieser Grundgedanke der auf praktische Betätigung sich konzentrierenden Musikalischen Jugend Deutschlands wird hier angewandt. Es wird aber auch von „prominenter“ Seite etwas geboten. Die Mischung ist gut.
XII. Jahrgang 1963, 2 (März/April), S. 1