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Rückblende (2013/11)

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Vor 50 und vor 100 Jahren
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Vor 100 Jahren: Hermann Kretzschmars Musikalische Zeitfragen
Vor 50 Jahren: Berlin: ein Staatsakt eröffnet am 15. Oktober den neuen Konzertsaal der Philharmonie, Herbert von Karajan dirigiert.

Vor 100 Jahren

Aus Hermann Kretzschmars Musikalische Zeitfragen: Am letzten Ende hängt aber nicht bloß die Weiterbildung, sondern die Leistungsfähigkeit des Musikerstandes überhaupt eng mit seinen Erwerbsverhältnissen zusammen. Mens sana in corpore sano! Frische des Geistes setzt Sorgenfreiheit voraus, und es fragt sich, ob dies dem tüchtigen Musiker im gleichen Grade gesichert ist, wie den Angehörigen anderer Stände. Da muss zunächst entschieden werden, mit welchen Ständen sich der musikalische vergleichen darf. Seiner Bedeutung und seinem Wesen nach gehört er zu den privilegierten Berufsarten; denn er verrichtet eine Kulturarbeit, die wie die der Kirche und der Schule geschützt und geregelt sein will. Er hat diesen Schutz in der Zeit der Zünfte genossen, ist aber im 19. Jahrhundert mit anderen Leidensgefährten in das Experiment der Gewerbefreiheit hineingezogen worden […]

In der Musik liegen jetzt die Verhältnisse auf allen Gebieten trostlos. Man weiß wirklich nicht, wo man mit der Schilderung des Notstandes beginnen soll. Jammer bei den Virtuosen, Depression bei den Komponisten, Unglück bei den Musiklehrern. Der Musikausübende findet ja auch nirgends Schutz. Ihm kann in seinem Beruf geschehen, was will, niemand kümmert sich darum; er ist so gut wie vogelfrei.  Was dem Musiker bitter nottut, ist Organisation. Er hat keinen Sinn für Politik. Ihm fehlt die staatsbürgerliche Erziehung. Weshalb sichern wir uns als Gruppengemeinschaft nicht einen Wort- und Federgewandten Kopf, der unsere Interessen in Gemeinde und Staat vertritt?

Neue Musik-Zeitung, 35. Jg. 1913/14, H.3, S. 48f

Vor 50 Jahren

Berlin: ein Staatsakt eröffnet am 15. Oktober den neuen Konzertsaal der Philharmonie, Herbert von Karajan dirigiert. Nürnberg: Die Meistersingerhalle, am 7. September mit einem Festkonzert eröffnet, zählt mit 2000 Sitzplätzen zu den größten Konzerthallen Europas. München: Bei der Tonmeistertagung tauschen die Tonmeister der europäischen Rundfunk- und Fernsehanstalten ihre Erfahrungen aus. H. Kösters, Hamburg, über Konzertsaalbau: Der Akustiker ist heute eine graue Eminenz aller Architektenbüros, in denen ein Konzertsaal projektiert wird. Während man sich, was die Akustik anlangt, vor hundert Jahren noch auf das Glück verließ – und merkwürdigerweise fast immer Glück hatte –, versucht man heute bekanntlich die Akustik, mit Formeln, Berechnungen und speziellen Bauelementen zu steuern. Er nannte als ersten konsequenten Versuch, einen Saal nach akustischen Grundsätzen zu bauen, den Pariser Salle Pleyel vom Jahre 1927. Hier wölbte sich zum ersten Male eine „Parabeldecke“ über den Zuschauerreihen und leitete alle Schallwellen, die das Orchester erzeugt, gleichmäßig und vor allem ungebrochen in alle Bereiche des Saales. Früher fand man die herkömmliche, rechteckige Form eines Konzertsales durchaus in der Ordnung. Die Decke war meist, wie im Wiener Musikvereinssaal oder in der alten Berliner Philharmonie, kassettenförmig aufgeteilt; von ihr wurde deshalb ein diffuses Klangbild abgestrahlt, das den geheimen Romantikerwünschen nach schwelgerischer Klangverschmelzung entgegenkam.

Neue Musikzeitung, Jg. 12.1963, Nr. 6, S. 3 und 8

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