Vor 100 Jahren: Kriegshilfskasse für Musiklehrende +++ Vor 50 Jahren: „Pacem in terris“
Vor 100 Jahren
In diesen schweren Zeiten, wo gerade die Musiker (…) fast ganz verlassen worden sind, wollen sie sich nun soweit es geht selbst helfen. Dies wird geschehen durch Veranstaltung von Volkssymphoniekonzerten, die von hervorragenden deutschen Dirigenten, Trägern berühmter Namen geleitet werden. Niedrige Eintrittspreise sind angesetzt, so dass die Aufführungen in diesen ernsten Tagen von jedermann, der im Aufnehmen edler, gehaltvoller Musik Erhebung und seelische Befreiung finden will, besucht werden können. Verwirklicht wird dieser Gedanke zuerst in München. Kein Geringerer als Richard Strauß hat sich bereit erklärt, sich dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen: er wird mit der Leitung dieser Konzerte den Anfang machen. Ihm folgen dann Bruno Walter, Sigmund v. Hausegger, Ferdinand Löwe, Ernst Boehe, Pauls Prill. Die Leitung des Konzertvereins hat den großen Saal der Tonhalle mietfrei und ohne Abrechnung von Nebenspesen zur Verfügung gestellt. Man darf erwarten, dass eine beträchtliche Zahl deutscher und österreichischer Städte das von München gegebene Beispiel befolgen wird. Eine Kriegshilfskasse für Musiklehrende zu schaffen, hat der Vorstand des Deutschen Musikpädagogischen Verbandes in Berlin übernommen. Es handelt sich hier um Linderung der verzweiflungsvollen Notlage einer Berufsklasse, die schon in Friedenszeiten so hart um ihre Existenz ringen musste. Wenigstens für die Kriegsdauer ist den Beamten aller möglichen Reichsämter das gewerbsmäßige Musizieren im Nebenamt untersagt worden, womit sie den Berufsmusikern auch noch die kärglichen Gelegenheiten zum Brotverdienen nehmen.
Neue Musik-Zeitung, 36. Jahrgang 1914/1915, Heft 1 (Oktober), S. 7, 38
Vor 50 Jahren
2.500 junge Chorsänger, in Frankreich „Choralisten“ genannt, 46 Chöre und fünf Instrumentalvereinigungen bestimmten für zehn Tage das Straßenbild im nahen Umkreis der prächtigen Kathedrale zu Nevers. „Pacem in terris“ lautete das Motto des Chorfestes EUROPA CANTAT, das zweite seiner Art, nachdem 1961 das erste unter dem Motto „Jubilate deo“ in Passau stattgefunden hatte. (…) Im Jahre 1960 kam es in Genf zur De-facto-Gründung, 1963 in Bonn zur De-jure-Gründung der Föderation mit einem jungen Franzosen als Präsident, Francois Bourel, der sich bereits hervorragend auf dem Felde der politisch-wirtschaftlichen Zusammenarbeit bewährt hatte, sowie mit Paul Wehrle als Generalsekretär. Das erste große Treffen in Passau 1961 war bereits ein starker Erfolg und bestätigte die Notwendigkeit des Zusammenschlusses. Die Resonanz und die Nachwirkungen des Festes übertrafen alle Erwartungen. Auch andere Länder waren mit ihren Chören vertreten, nach Nevers reisten sie aus 13 Ländern an, darunter aus Ostblockstaaten Ungarn, Jugoslawien und Tschechei, – nicht ein einziger Teilnehmer aus dem anderen Deutschland jenseits der Elbe. Zwar kamen die Chöre wohlvorbereitet nach Nevers und hatten schon Monate vorher die Chorpartien der großen gemeinsam zu singenden Chorwerke studiert, Bachs Johannespassion, Strawinskys Les Noces und Orffs Carmina Burana (…). In zehn „Ateliers“ folgten die Gesamtproben. Es kam zu ergreifenden Aufführungen unter Gottfried Wolters, Hamburg, Hans Grischkat, Stuttgart, Willi Gohl, Zürich. Die musikalische Spannweite und die Leistungshöhe, die gelegentlich eines solchen Festes erkennbar werden, lassen sich nur oberflächlich andeuten. Noch weniger lässt sich die Atmosphäre des Ereignisses beschwören, die jeden Beteiligten in ihren Bann zog. (W. Twittenhoff)
Musikalische Jugend, XIII.Jahrgang 1964, 5 (Oktober), S. 13