Vor 100 Jahren: Der Wiener Tonkünstlerverein veranstaltete eine Ausstellung von Manuskripten und Instrumenten, die mit dem Kriege zusammenhängen. +++ Vor 50 Jahren: Japans Kinder spielen Bach – Erstbegegnung mit Suzukis frühinstrumentaler Muttersprache-Methode
Vor 100 Jahren
Der Wiener Tonkünstlerverein veranstaltete eine Ausstellung von Manuskripten und Instrumenten, die mit dem Kriege zusammenhängen. Man brauchte nicht allzuweit zu gehen: Hofbibliothek, Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde, Heeresmuseum. Diese deutsch-österreichische Ausstellung beginnt beim siebzehnten Jahrhundert, den Türkenkriegen. Türkischen Trommeln stehen die großen mit prächtigen Behängen versehenen Pauken des Regiments Anspach entgegen, ein Pfeifenspiel aus dem Dreißigjährigen Kriege, seltsam verschlungene Trompeten aus Nürnberg, österreichische Schellenbäume und die Instrumente der Hauboistenkorps aus dem 18. Jahrhundert, die jedem Kavallerieregiment beigegeben waren, eine Art Sopranposaune. Vertreten waren Friedrich der Große mit einigen seiner Flötenkompositionen, Beethovens Handschriften mit Chor an die verbündeten Fürsten, Militärmarsch, die Eroica-Partitur mit ihrer sorgfältig ausgestrichenen Widmung, Haydn mit seiner Volkshymne, elf Blätter, die das Entstehen des Liedes und des Kaiserquartettes zeigen. Soldaten- und Studentenlieder von 1848 bildeten den Übergang zur modernen Zeit, in der Brahms’ Triumphlied einen Höhepunkt darstellte, oder indische Handtrommeln neben unserer Schützengrabenharmonika, Kriegsmusik 1914/15 ...
Neue Musik-Zeitung XXXVI. Jahrgang 1915, Heft 15, S. 180
Vor 50 Jahren
Japans Kinder spielen Bach – Erstbegegnung mit Suzukis frühinstrumentaler Muttersprache-Methode: Die Musik in Ostasien wurzelt ganz stark im Gedächtnis und im Nachempfinden. Das belegt ein Bericht des Stuttgarter Kammerorchesters in Japan im Jahre 1956. Wir wurden von zwölf Geige spielenden Kindern empfangen. Ganz in sich gekehrt, spielten sie glockenrein und rhythmisch einwandfrei, ohne die geringste Temposchwankung, den ersten Satz des Doppelkonzerts für zwei Violinen von J.S. Bach, jede Solostimme von sechs Kindern besetzt, ferner einen vivaldi’schen Konzertsatz in gleicher Besetzung und eine bach’sche Solosuite, vom Cello auf die Geige übertragen. Es handelte sich hier um Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren, darunter einige ganz kleine Buben und Mädel, die man nach unserem Maßstab von Körpergröße auf fünf Jahre geschätzt hätte. Sie spielten alle ohne Noten und ohne Dirigenten. Die Kleinsten hatten Ins-trumente von der Größe einer halben Geige. Wir stellten fest, dass so etwas in Europa unmöglich hervorzubringen wäre. Die nach dem Gedächtnis musizierenden Kinder gehören einer über ganz Japan verbreiteten Organisation an mit Großkonzerten in einem Stadion, wobei Werke von alten Meistern gespielt werden. Ihr Zweck ist es nicht etwa, aus diesen Kindern Musiker heranzubilden. Indem man ihre musikalischen Talente entwickelt, will man helfen, die Grundlagen ihres Charakters zu festigen. „Die Empfindsamkeit der Kinder entwickelt sich zu solcher Höhe“, so Orga-Präsident Shinichi Suzuki, „wenn es gelungen ist, für diese Bewegung hunderttausend Kinder gewonnen zu haben, dann ist künftig der Friede für Japan gesichert.“
Musikalische Jugend XIV. Jahrgang 1965, Nr. 2, S. 7