Vor 100 Jahren: Der einmütige Beifall, den Richard Straußens neustes Werk „Eine Alpensinfonie“ bei der Erstaufführung in der Berliner Philharmonie am 28. Oktober (1915) errungen hat, muss uns aus den verschiedenen Gründen mit Stolz und Genugtuung erfüllen. +++ Vor 50 Jahren: Oboist Hansjörg Schellenberger berichtet als „Jugend musiziert“-Preisträger über seinen Gastaufenthalt im National Music Camp of Interlochen/Michigan.
Vor 100 Jahren
Der einmütige Beifall, den Richard Straußens neustes Werk „Eine Alpensinfonie“ bei der Erstaufführung in der Berliner Philharmonie am 28. Oktober (1915) errungen hat, muss uns aus den verschiedenen Gründen mit Stolz und Genugtuung erfüllen. Einmal, weil dieser herzliche warme Erfolg uns auf’s Schönste zum Bewusstsein bringt, wie tief und echt die deutsche Musikkultur ist, so dass sie sich auch mitten im größten Weltkriege aller Zeiten so ruhig entfalten mag. Dann aber um Richard Straußens selber willen. Seien wir doch ehrlich und bekennen es ihm offen, dass viele unter uns ein wenig bedenklich geworden waren. Gar zu schnell waren die Opern mit den wirksam ästhetisierten Dichtungen von Hofmannsthals einander gefolgt, und gar die Josephs-Legende mit ihren raffinierten russisch-französischen Ausstattungswundern trug leise den Charakter der Konzession an den Geschmack jener internationalen Kunstwelt, für welche die Kunst und die Persönlichkeit Straußens nie und nimmer geschaffen sein konnte. Wir, die wir München und das bayerische Bergland kennen und lieben, die wir wissen, wie herzlich gerade Strauß an seiner süddeutschen Heimat hängt, wir lechzten seit Jahren nach einer Schöpfung von ihm, in der sich eben diese seine süddeutsche Natur, diese Bergseele einmal nach Herzenslust ausleben kann. Nun endlich hat uns Richard Strauß dieses Werk geschenkt …
Neue Musik-Zeitung XXXVII. Jahrgang 1915/1916, H.5, S. 58
Vor 50 Jahren
Oboist Hansjörg Schellenberger berichtet als „Jugend musiziert“-Preisträger über seinen Gastaufenthalt im National Music Camp of Interlochen/Michigan – jenem Musiklager, in dem auf Grund ihrer musischen Fähigkeiten ausgewählte Jugendliche unter Führung von etwa 100 Professoren verschiedener amerikanischer Universitäten in strenger Disziplin ihre Sommerferien mit Musik, Tanz und Schauspiel verbringen: Die Größe dieses Camps ist beispielhaft dafür, was an musikalischer Jugendarbeit in Amerika getan wird. Ähnlich einem Universitätsbetrieb mussten wir die Fächer aus der Fülle der gebotenen theoretischen und praktischen Arbeitsmöglichkeiten belegen: Dirigieren, Komposition, Musiktheorie, Kammermusik, Instrumentalunterricht, obligatorische Mitarbeit zweieinhalb Stunden in einem der Orchester, Bands, Chöre, obligatorischer Sport brachte den nötigen Ausgleich. Besondere Vorliebe bei der Orchesterarbeit gehörte den Werken der Romantiker und Nachromantiker, von Schubert und Beethoven über alle erdenklichen russischen Komponisten dieser Epoche bis hin zu Prokofieff, Kodály und Bartók. Nach einwöchiger Probenarbeit unter meist hervorragenden Dirigenten wird das Hauptwerk dieser Komponisten mit einer für ein Jugendorchester unglaublichen Könnerschaft aufgeführt. Die sogenannte „challenge“, der wöchentliche Wettbewerb um den Platz in der eigenen Instrumentalgruppe, zwang zu ständiger Arbeit an sich selbst und hatte großen Einfluss auf den Leis-tungsstand der Orchester. Die Routine, die der einzelne dabei erwarb, entsprach der weitaus mehr als bei uns bewerteten technischen Perfektion. Dabei kam jedoch der musikalische Ausdruck häufig zu kurz. Noch etwas anderes kennzeichnete den Stil der Interpretation, wie ich sie erlebte, und die Einstellungen zur Musik: der Hang zu Großartigem, riesigen Besetzungen, vollen Akkorden und heroischen oder pastos schweren Melodien...
Musikalische Jugend XV. Jahrgang 1966, H.1, S. 20