Vor 100 Jahren: Dem Vorschlag, das Urheberrecht an Kunstwerken nach Ablauf seines gesetzlichen Bestehens auf den Staat übergehen zu lassen, liegen recht wohlgemeinte Absichten zu Grunde. +++ Vor 50 Jahren: Baden-Württembergs Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger fragt, was kann in der Bundesrepublik zur Förderung der Schulmusik geschehen: Die Denkschrift des Deutschen Musikrats aus dem Jahr 1964 spricht von einem katastrophalen Stand der Musikerziehung an der Volksschule und einer katastrophalen Situation des Musikunterrichts an den allgemeinbildenden Schulen. Es geht nicht nur um die Bewahrung eines gegenüber der technischen Werkwelt abgeschirmten Bereichs der Innerlichkeit.
Vor 100 Jahren
Dem Vorschlag, das Urheberrecht an Kunstwerken nach Ablauf seines gesetzlichen Bestehens auf den Staat übergehen zu lassen, liegen recht wohlgemeinte Absichten zu Grunde. Denn die missliche Tatsache steht fest, dass zumal in der Wort- und Tonkunst die anerkannten älteren Meisterwerke das Aufkommen neuer Kunstwerke sehr behindern: da erstere, weil von allen Abgaben frei, viel wohlfeiler vervielfältigt werden können wie letztere, und es ist klar, dass dadurch die Fortentwicklung der Kunst gehemmt wird. Wenn nun der Staat anstellen der Privatverleger treten würde und auf Grund seines Erbrechtes einen „Staatsverlag größeren Stils“ errichten wollte, so könnte er alle erfolgreichen Werke sehr gut weiter ausbeuten und den Nutzen daraus der Allgemeinheit zuweisen, insbesondere auch zur Unterstützung junger Talente verwenden. Man sieht aus diesem Vorschlag und seiner Ausführung, wie sich der Gedanke des Staatssozialismus immer weiter verbreitet und auch die Kunst in seinen Bereich ziehen möchte. Ist ein solcher Zustand erstrebenswert? Nein, belassen wir die Künstler in ihrer freien, wenn auch gefahrvollen Lebensstellung und behüten wir die Kunst vor staatssozialistischen Beglückungen. Mögen sich aber die Künstler fester zusammenschließen und zwar die schaffenden ebenso wie die nachschaffenden Kunstjünger; bei gemeinsamen Lebensfragen werden sich die Produzierenden und Reproduzierenden schon zu vereinen wissen. Der Staatsgewalt sollten sich die Künstler nicht freiwillig noch mehr unterwerfen wie bisher.
Neue Musik-Zeitung XXXVII. Jahrgang 1916, H. 13, S. 189
Vor 50 Jahren
Baden-Württembergs Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger fragt, was kann in der Bundesrepublik zur Förderung der Schulmusik geschehen: Die Denkschrift des Deutschen Musikrats aus dem Jahr 1964 spricht von einem katastrophalen Stand der Musikerziehung an der Volksschule und einer katastrophalen Situation des Musikunterrichts an den allgemeinbildenden Schulen. Es geht nicht nur um die Bewahrung eines gegenüber der technischen Werkwelt abgeschirmten Bereichs der Innerlichkeit.
Vielmehr erhebt sich die viel bedeutendere Frage: In wieweit ist die gesamte Kultur, also auch der Fortschritt der Technik und seine Voraussetzungen in wissenschaftlichen Entdeckungen und Erfindungen von der Entwicklung seelischer Kräfte abhängig, die durch eine einseitige rationalistische Bildungsmethode nicht geweckt werden können? Wenn es wahr ist, dass bei der Vernachlässigung des musischen Bereichs, insbesondere der Musik, die Ausformung des ganzen Menschen leidet, also nicht nur irgendein Sektor verkümmert, dann müssen wir daraus sehr ernste Folgerungen und Forderungen ableiten.
Dann ist eben die Musikpflege in den Schulen nicht ein eben noch geduldetes Randfach, dann gilt die Forderung, aus Lehranstalten Bildungsstätten für die Ausformung des gesamten Menschen zu machen. Dabei muss das Musische, vor allem die Musik eine zentrale Stellung erhalten. Diese Aufgabe der Schule unserer Tage ist auch deshalb so wichtig, weil die Basis der bisherigen Musikkultur, nämlich die bürgerliche Gesellschaft mit ihrer häuslichen Musikpflege, wie sie für das 19. Jahrhundert charakteristisch war, weithin zerstört ist. Wir brauchen keine Spezialisten, sondern Erzieherpersönlichkeiten von Rang, die auch vom Musischen her alle Fächer beherrschen und bewältigen...
Musikalische Jugend, XV. Jahrgang 1966, H. 5, Mai