Vor 100 Jahren: Strawinsky im Urteil der Zeitgenossen +++ Vor 50 Jahren: EXPO 67, Weltausstellung Montreal 1967
Vor 100 Jahren
Strawinsky im Urteil der Zeitgenossen: Strawinsky wurde in seiner eigenartigen Tonsprache anlässlich der Aufführung von Le sacre du printemps in Berlin positiv aufgenommen: Hier überrascht die geniale Behandlung des schwer bestückten Orchesterapparates und zum anderen die straffe eindringliche Rhythmik. Das Ringen, dem Werden der Natur in Klängen Ausdruck zu geben, die auf Urlaute basiert sind, scheint in einer Konsequenz durchgeführt, die ebenso überrascht wie erstaunen macht.
Es ist unmöglich, diese Musik, in deren Schöpfer nicht allein ein großer Könner steckt, sondern auch über eine Fülle von Gedanken verfügt, kurzerhand abzutun. Die Urwüchsigkeit der Empfindung, wenn sie auch vielfach in den Mitteln zu Extremen greift, verdient entschieden Anerkennung. In Strawinsky sehen die einen einen blutigen Musikbolschewisten, die anderen einen kühlen Äquilibristen.
Dieser russische, in Westeuropa lebende Musiker beherrscht nicht nur sein Handwerk, sondern er hat auch Einfälle, Empfindung und Humor. Zudem leiten ihn sicheres Formgefühl und Geschmack.
Exzentrisch wird er nur, wo es der Stoff zulässt; er versteht gerade im Grotesken weise zurückzuhalten. Er vermag starke, tiefe Wirkungen mit wenig Mitteln zu erreichen, und auch ein zarter lyrischer Ausdruck steht ihm zu Gebote.
nach R. Shishido, Neue Musik-Zeitung 1880–1928 S. 243 ff.
Vor 50 Jahren
EXPO 67, Weltausstellung Montreal 1967: im Pavillon der Jeunesses Musicales unter dem Motto „Der Mensch und die Musik“ interpretiert Detlef Kraus (Deutschland) das Klavierwerk von Beethoven und Brahms, Karl Engel (Schweiz) das Klavierwerk Mozarts, Pierre Mollet (Schweiz) Höhepunkte der Vokalliteratur. Für die Musikerziehung für Kinder werden vorgestellt die Methoden nach Carl Orff (D), Ward (GB), Martenot (F), Kodály (H), Suzuki (Japan). Josef Anton Riedl aus München stellt Elektronische Musik und experimentelle Musikfilme vor.
Im Pavillon ein Kolloquium über die Probleme der musikalischen Komposition von heute, dabei die Expertenjury – sie sichtet die aus 26 JM-Ländern in nationalen Kompositionswettbewerben der Jeunesses Musicales ausgewählten kammermusikalischen Werke: es sind dies Wolfgang Fortner (D), Milko Kelemen (Jugoslawien), Jean Papineau-Couturen (Kanada), Gottfried von Einem (Österreich), Witold Lutoslawski (Polen) ,Lopes Graca (Portugal), Elliot Carter (USA). Hier die fünf Finalisten: Martin Boykan (1931, USA), Zsolt Durko (1934, Ungarn), Michael Finissy (1946, England), Sydney Philipp Hopkinson (1934, Kanada), Josef Maria Horvath (1931, Österreich/Ungarn). Fazit im Semifinale: Schon die Tatsache, dass unter den fünf Preisen allein drei Streichquartette sind, bezeugt wie ernst die jungen Musiker arbeiten und sich durch Mode und Pseudo-Avantgardismus nicht ungünstig beeinflussen lassen.
Horvath galt der 1. Preis (25.000 DM und 500 garantierte Aufführungen) für sein ausgesprochen avantgardistisches Streichquartett „Redundanz 2“.
Musikalische Jugend, 16. Jahrgang 1967, H. 3, S. 22