Hauptrubrik
Banner Full-Size

Staatsmusik für einen Sonnenkönig

Untertitel
Louis XIV, Molière, Lully und die Musica Antiqua Köln
Publikationsdatum
Body

Am 26. April kommt der Film „Le Roi Danse“ des belgischen Regisseurs Gérard Corbiau in Deutschland in die Kinos. Die Premiere wird in der Kölner Philharmonie gefeiert. Musik spielt in dem Film die eigentliche Hauptrolle. Es spielt (unter Leitung ihres Chefs Reinhard Goebel) die Musica Antiqua Köln, die in diesem Jahr zum zweiten Mal für den Grammy nominiert wurde.

Am 26. April kommt der Film „Le Roi Danse“ des belgischen Regisseurs Gérard Corbiau in Deutschland in die Kinos. Die Premiere wird in der Kölner Philharmonie gefeiert. Musik spielt in dem Film die eigentliche Hauptrolle. Es spielt (unter Leitung ihres Chefs Reinhard Goebel) die Musica Antiqua Köln, die in diesem Jahr zum zweiten Mal für den Grammy nominiert wurde.Die Musik steht im Zentrum des Films, und im Zentrum der Musik steht der Körper des Königs. Das ist der Kern des Films: die Beziehung von Macht und Musik“ – so Gérard Corbiau. Nach „Farinelli – il castrato“ von 1995 (mit dem Golden Globe ausgezeichnet und für den Oskar nominiert) zeichnet Corbiau in „Le Roi Danse“ ein Porträt des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und seines Hofs.

Der Plot: Jean-Baptist Lully (Boris Terral), Hofkomponist und Tanzlehrer von Louis XIV. (Benoît Magimel) ist seinem König bedingungslos ergeben. Louis, Thronfolger in politisch bewegten Zeiten, ist ein schüchterner junger Mann von gerade einmal 14 Jahren, als sich der gebürtige Italiener Lully in dessen Dienst stellt. Der König wird zum absoluten Mittelpunkt von Lully wie auch von Molière, dem königlichen Komödiendichter. Louis bringt die beiden zusammen; künstlerisches Ergebnis ist die ganz eigene Gattung des „Comédie-Ballet“ mit einer Reihe von Werken wie „Les Amants magnifiques“ und „Le Bourgeois gentilhomme“. Zutiefst verletzt ist Lully, als der König seine Zuneigung nicht erwidert und nur noch Musik von ihm erwartet. Die Beziehung zwischen Louis und Lully zerbricht, als der König auch den göttlichen Tanz, die letzte intime Verbindung zu seinem Hofkomponisten, einstellt. Molière (Tcheky Karyo) tritt so in Konkurrenz zu seinem Freund Lully. Und die höfischen Intrigen blühen.

Unter seinem König bricht Lully mit allen Traditionen – er kann es, er darf es, er muss es. Oder wie Reinhard Goe-bel es formuliert: „Der bedingungslose Wille des jungen Königs, sich als unabhängiger Herrscher und frei von traditionellen Bindungen zu präsentieren, ermöglicht es Lully, ja zwingt ihn geradezu, einen Stil zu kreieren, der keinerlei Rücksicht auf gesamteuropäische Traditionen nimmt.“ Lullys Musik zelebriert Macht. Sie ist Politikum: Staatsmusik für den Sonnenkönig, tönende Propaganda. Propaganda eines Königs, „der seinem Adel vorflunkert, er selbst sei zwischen den widerstrebenden Mächten von ‚gloire & amour’ eingebunden“ (Goebel).

Wie kommt der belgische Regisseur Corbiau auf Reinhard Goebel und die Musica Antiqua Köln? Er hört alte Platten und neue CDs mit Werken von Lully; einfach alles, was er finden kann. Viel gibt es nicht und nichts kann ihn überzeugen. „Meine Figur des Lully sollte viel kraftvoller, wahnsinniger, leidenschaftlicher sein als die schwülstige Musik, die ich fand.“ Dann entdeckt Corbiau die Musica Antiqua Köln und ist begeistert. Musikalität, Risikofreude, unbändige Lust am Rhythmus – so stellt er sich die Figur des Lully vor und in Goebels Interpretationen sieht er seine Ideen verwirklicht. Man nimmt Kontakt auf, und es beginnt eine in jeder Hinsicht ungewöhnliche Zusammenarbeit. Denn die Produktion eines Soundtracks (erschienen bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft, bei der die Musica Antiqua Köln exklusiv produziert) ist nicht Alltagsgeschäft für ein Ensemble, das sein tägliches Brot auf den Konzertpodien der Welt verdient.

Die Musica Antiqua Köln: eines der ersten Ensembles der Generation nach Nikolaus Harnoncourt oder Gustav Leonhard, die frischen Wind in die Szene der Alten Musik gebracht hat. Über 25 Jahre ist sie alt, groß geworden unter ihrem Gründer und Leiter Reinhard Goebel. Die Radikalität, die früher so mancher als reine Provokation empfand, ist heute zum Inbegriff für Interpretationen der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts geworden. Rund 100 Konzerte im Jahr gibt die Musica Antiqua heute, dabei höchstens 20 in Deutschland; das Ausland, besonders Frankreich, Spanien und auch die USA, ist ein wichtiger Markt. Im Ausland arbeitet das Ensemble mit Agenturen, im Inland kümmert es sich selbst um Auftritte; bewusst hat man sich vor einigen Jahren entschieden, das General Management selbst in die Hand zu nehmen.

Die juristische Form ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) mit sechs Gesellschaftern: fünf Musikern und dem Geschäftsführer. Darüber hinaus arbeitet die Musica Antiqua Köln für größere Besetzungen mit einem festen Stamm von 25 bis 30 Musikern.
Finanziell steht die Musica Antiqua Köln fest auf eigenen Füßen, buchstäblich spielend finanziert sie sich – über Konzerthonorare und zum Teil auch über CD-Einspielungen. Drittmittel, aber auch öffentliche Zuschüsse gibt es nicht. Einzige Ausnahme in jüngster Vergangenheit: ein Zuschuss für ein Projekt mit den beiden Labèque-Schwestern vom Land Nordrhein-Westfalen. Die Unterschiede in der Szene der Alten Musik, gerade was öffentliche Gelder angeht, scheinen groß, nicht nur im Vergleich der verschiedenen Bundesländer, sondern auch im europäischen Vergleich.

Seit nunmehr über 20 Jahren nehmen die Musica Antiqua Köln und Reinhard Goebel exklusiv für die Archiv-Produktion der Deutschen Grammophon Gesellschaft auf. Die CDs sind inhaltlich bemerkenswert, sind mit internationalen Preisen überhäuft und verkaufen sich zudem noch ausnehmend gut. Der jüngste Silberling mit Telemanns Streichkonzerten wurde im Januar für den Grammy nominiert.

„Le Roi Danse“. Corbiau stellt Musik in das Zentrum seines Films. Kino und Musik, ein ungleiches Paar? „Das Bild“, sagt er, „hat eine enorme Wirkung. Manchmal muss man dafür sorgen, dass sich ein Bild verflüchtigt, damit die Musik hörbar wird.“ Hörbar wird sie, die Musik Goebels und seiner Musica Antiqua mit ihrem untrüglichen Gespür für Qualität. Nie aber kann Musik die Macht des Kinobilds verdrängen – verändern und intensivieren jedoch kann sie es. „Natürlich beeinflussten die Auswahl der Stücke und die Musikaufnahmen, die fast ein Jahr vor den Dreharbeiten entstanden, die Arbeit am Drehbuch und selbstverständlich auch die Inszenierung. Wenn man eine passende Musik für eine Szene findet, verändert sich der Entwurf dieser Szene“ (Corbiau).

Jean-Baptiste Lully: Der König tanzt (Original Motion Picture Soundtrack)
DGG 471 142-2
Georg Philipp Telemann: Konzerte für Streicher
DGG 463 074-2 (Grammy Award 2001)

www.derkoenigtanzt.de
www.musica-antiqua-koeln.de

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!