Vor einiger Zeit wurde mir das Buch „Die großen Komponisten unseres Jahrhunderts“ vom Piper-Verlag in München als Belegexemplar zugeschickt. Als ich das Kapitel über mich las, mußte ich feststellen, daß dem Autor H.H. Stuckenschmidt eine ganze Reihe von Fehlern unterlaufen ist, die ich hier verbessern möchte. […]
7. Es stimmt nicht, daß „Herbert Eimert die Arbeiten Elektronischer Musik ästhetisch geleitet“ hätte. Ganz im Gegenteil: Eimert produzierte damals Klänge mit einem Bode-Melochord im Studio (das schwierigere Trautonium, das ebenfalls ein manuelles Spielinstrument hätte werden sollen, wurde allgemein negiert). Ich habe von dem Moment an, als ich ins Studio kam, die Tendenz verfolgt, Spielinstrumente mit chromatischen Tastaturen oder kontinuierlichen Spielleisten auszulassen, um endlich loszukommen von der damals bereits dreißig Jahre alten Praxis, elektrische Spielinstrumente zu bauen, die bereits vorhandene Klangfarben des Orchesters imitieren. Ich wollte grundsätzlich eine andere Methode wählen, die Klangsynthese zu erreichen. As hat von Anfang an zu Spannungen mit Eimert geführt […]
11. Ich habe nie einen Totalitätsanspruch der reinen Elektronischen Musik ausgesprochen, sondern lediglich klargemacht, dass dies das Problem Nummer 1 war, was mich damals interessierte.
12. Anton Webern wurde nie „als Urheber der seriellen Musik“ bezeichnet, sondern als Vorausahner. Webern war ein Visionär. Nicht „seine Person und seine Ästhetik wurden auf die elektronische Komposition übertragen“, sondern er diente lediglich zur historischen Orientierung, um klar zu machen, dass das, was ich damals wollte, nicht einfach vom Himmel gefallen war, sondern ganz natürlich die Tradition fortsetzte. Meine Kollegen und ich haben damals keinen „Webernkult“ getrieben, sondern Webern den gebührenden Platz eingeräumt, den man in der Physik einem Mann wie zum Beispiel Albert Einstein auch einräumen würde. […]
14. Daß erst 1958 John Cage in Zusammenhang mit mir erwähnt wird, ist falsch. Ich war der erste, der John Cage 1954 bereits nach Köln und nach Baden-Baden empfohlen hat, denn David Tudor war außerordentlich interessiert an meiner Arbeit, und Cage besuchte mich schon früh im Studio in Köln, um zu sehen, was ich dort tat. […]
21. Es ist ferner falsch, dass ich schon „viel früher in dem Klavierstück IX mit seinem Hunderte von Malen wiederholten Akkord bewußt die Monotonie anstrebte“. […]
b) Der erste Akkord ist nicht Hunderte von malen wiederholt, sondern exakt 138mal. […]
Karlheinz Stockhausen, Neue Musikzeitung, XXI. Jg., Nr. 1, Februar/März 1972