Auf der Welt ist die Idee schon eine ganze Weile, doch Gestalt angenommen, geschweige denn Früchte getragen hat sie längst noch nicht: die Förderung von Kritikern zeitgenössischer Musik vor allem in den Printmedien durch Zeit und Geld.
Dass durch eine Förderung die Qualifizierung und verbesserte Musikvermittlung erreicht werden könnten, das stand schon im vergangenen November im Mittelpunkt der Arbeitstagung „Musikjournalismus und Neue Musik“, veranstaltet vom LernRadio der Musikhochschule in Karlsruhe (die nmz berichtete ausführlich in der Ausgabe 12/07). Einige der Protagonisten von damals versammelten sich jetzt im Juli erneut, diesmal in Darmstadt, eingeladen von Kerstin Jaunich, die beim Deutschen Musikrat als Projektleiterin Zeitgenössische Musik arbeitet und von Gisela Nauck als Vertreterin kleiner unabhängiger Musikzeitschriften.
Ausgangspunkt war eine schriftliche Situationsbeschreibung, die eine Diskrepanz zwischen der wachsenden Beachtung und Unterstützung zeitgenössischer Musik durch die Politik konstatiert. Festgestellt wird allerdings, dass „Förderprogramme zur Vermittlung von neuer Musik zu kurz greifen, wenn damit in erster Linie pädagogische Projekte und einführende Moderationen gemeint sind“, wenn gleichzeitig „der Beruf des Musikjournalisten ausstirbt“ und der gesellschaftliche Diskurs ausbleibt. Leistungen und Engagement von Musikjournalisten für die zeitgenössische Musik, so das Papier, würden nicht angemessen bezahlt, mit den Honorarsätzen für die aufwändigere Beschäftigung könnten sie nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Nun war man in Darmstadt weit davon entfernt, einen Deckel von irgendeinem Geldtopf nehmen zu können oder sogar ein Förderprogramm des Deutschen Musikrats aufzulegen. Man traf sich, um die Analyse voranzutreiben, an einem Netzwerk aus Journalisten, kulturpolitisch wirkenden Kleinverlegern, Herausgebern, Lehrenden und Praktizierenden zu knüpfen und erste Ideen für Förderwege zu sammeln und zu diskutieren. Einhellig fiel die Analyse dahingehend aus, dass außerhalb einiger überregionaler Leitmedien auf der Ebene der Bezirks- und Kreiszeitungen die qualifizierte Berichterstattung über zeitgenössische Musik einen miserablen Stand hat, wenn sie denn überhaupt Platz in den Feuilletons findet.
Wo Multiplikatoren im Print- oder Funkbereich fehlen, fehlt irgendwann auch die Aufmerksamkeit eines Publikums, das soweit der Gegenwart entwöhnt wird, dass es ins kulturpolitische Leben des 19. Jahrhunderts zurückfällt und bereits ein Schönberg-, Hindemith- oder Schostakowitsch-Konzert für einen Hörsturz hält und die Abo-Karten verfallen lässt. Kein zugespitztes lokales Einzelbeispiel, wie es analog Burkhard Baltzer von „Kunst+Kultur“, der kulturpolitischen ver.di-Zeitschrift, für seinen Wohnort Tübingen schilderte. Sondern auch die Praxis im MDR, sich sogar seines öffentlichen kulturpolitischen Auftrags zu entledigen: „Da kriegen wir keinen Fuß mehr rein“, so Gisela Nauck und Stefan Fricke (HR).
Einen „Überbau für neue Musik“, wie sich ihn Jens Cording (Siemens Arts Program) wünscht oder „neue Ansätze für die Musikberichterstattung“, die Peter Overbeck (LernRadio) entwickeln will, sind in solchen Kulturszenen eine zu vernachlässigende Utopie. Einzig der freie Musikjournalist und Macher einer kleinen Musikzeitung, Raoul Mörchen, vertrat die Auffassung, dass zeitgenössische Musik im Funk und insgesamt in den Printmedien überproportional berücksichtigt sei – was jedoch noch nichts über die Qualität aussage: Einigkeit bei allen Teilnehmern ebenso über den Förderbedarf. Wie solche Hilfen aussehen könnten? Die Vorschläge reichten von Preisen an Zeitungsfeuilletons über eine fixe Neue-Musik-Agentur mit geförderten, natürlich hervorragenden Fachtexten, Recherche-Stipendien bis hin zu Weiterbildungsseminaren und Journalistenpreisen.
Deshalb will sich der Kreis demnächst mit einem Vertreter des Zeitungsverlegerverbandes treffen und weiterdiskutieren.