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An der Universität Bonn hat sich am 12. Mai 1999 eine Einrichtung gegründet, die kulturwissenschaftliche Inhalte für die Arbeitsmittel und Angebote der neuen Medien umsetzen will. Die dem Musikwissenschaftlichen Seminar angegliederte Einrichtung heißt „Medienlaboratorium“ und wird von Fachleuten einander benachbarter Wissensgebiete getragen.
Der Sprecher dieser Fachleute, Erik Fischer, ist selbst Professor für Musikwissenschaft in Bonn und sah die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung im bekanntlich traditionell ausgerichteten Ansatz des eigenen Faches begründet: „Unsere Überlegung ist,“ so Fischer, „ob der Einsatz der neuen Medien innerhalb der Lehre nicht auch bestimmte Rückwirkungen haben müßte auf die Forschung selbst.“ Was der Student im Medienlaboratorium lernen soll, ist deshalb keine „Medienkompetenz“. Die wird inzwischen überall vorausgesetzt. Stattdessen soll das Umsetzen musikwissenschaftlichen Fachwissens für konventionelle Medien, das Internet, die CD-ROM oder auch künftige Normen (DVD) Bestandteil des Lehrplans werden. Ein Beispiel: Das Schumannhaus in Bonn will eine didaktisch aufbereitete Audio-CD für junge Besucher der Gedenkstätte herstellen lassen. Drittmittel fließen dazu an die Universität. Im Medienlaboratorium wird ein Projektleiter bestimmt, der zugleich am Seminar einen Lehrauftrag erhält, in dessen Rahmen der Auftrag des Geldgebers mit dem Forschungsstand und didaktischen Abwägungen abgeglichen wird. Das so entwickelte Konzept setzt eine aus Studenten des Seminars gebildete Arbeitsgruppe um, deren Mitglieder auch Studiennachweise erwerben können, das heißt musikalische Programmwahl, Produktion oder Rechteerwerb, Redaktion der Begleittexte und Ablieferung an das Presswerk. Gleiche Verantwortung möchten die Medienlaboranten zum Beispiel auch für ein „Netkolleg Musik“ übernehmen, einer für das Internet aufbereiteten Version des früheren Funkkollegs Musikgeschichte. Für diesen Fall steht dem Laborantenteam sogar schon eine fertig designte Oberfläche zur Verfügung.
Wegen dieses nicht gerade bescheidenen Arbeitsspektrums haben sich im Team Fachleute aus unterschiedlichen Wissensgebieten zusammengefunden. Es besteht aus Musik- und Medienwissenschaftlern, Sound- und Grafik-Designern, Komponisten und Journalisten. Daß die Realisierung im einzelnen schwieriger werden kann, als es sich im Vorhinein jeweils absehen läßt, hat auch Laborleiter Fischer erkannt. Deshalb hat er sich die Unterstützung des Forschungszentrums Informationstechnik (GMD) gesichert, die im Austausch von Sachwissen gegen technische Realisierung besteht. Außerdem wird die GMD der neuen Einrichtung an der Universität einen noch nicht genau bezifferten fünfstelligen Betrag für Material- und Sachkosten zur Verfügung stellen, der helfen soll, die vorhandene Ausstattung zu ergänzen. Daß auch das Rektorat der Universität fürs Erste eine neue Hilfskraftstelle für die Ziele des Medienlabors eingerichtet hat, bietet die Möglichkeit, über den ansonsten ehrenamtlichen Einsatz hinaus das Labor, wenn auch auf kleinen Füßen, ans Laufen zu bringen. Als weiterer Kooperationspartner steht noch die Stadt Bonn in Aussicht, die sich im Umzugsjahr als Wissenschaftsort weiter profilieren möchte.
Um diesen für die Kulturwissenschaft innovativen Ansatz auf Dauer lebensfähig zu machen, ist sicher eine dichtere Personaldecke unumgänglich. An dieser Frage wird sich die Tragfähigkeit der Konzeption erweisen. Auch ist dem Laboratorium ein etablierter Medienpartner im Print- oder elektronischen Bereich zu wünschen, der Neuigkeiten – auch aus der geplanten Editionsreihe – regelmäßig verbreitet und potentielle weitere Auftraggeber erreicht. Mit der neuen Einrichtung bietet sich für die Kulturwissenschaft tatsächlich die Chance, neueste Technologie und eigene Forschungswege zu verknüpfen und einmal nicht dem Dilemma zu erliegen, mit seinen theoretischen Erwägungen dem Geschehen zwar hinterherzuhetzen, aber zuletzt doch nur noch ausgebrannte Lagerfeuer anzutreffen.
An den Ergebnissen wird man die ambitionierte Unternehmung Medienlaboratorium messen.
Weitere Infos und Kontakt: www.uni-bonn.de/medienlaboratorium