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Vertrauen in Netzwerke fördern

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Zur 2. Konferenz zur Förderung der Popularmusik in Deutschland
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Dieter Gorny stellte 1997 bei der „1. Konferenz..." in Osnabrück die ketzerische Frage: „Gibt es eigentlich irgend etwas über Rockförderung zu sagen, was in den letzten zehn Jahren nicht gesagt worden ist?" Die Kontrapunkte waren über Jahre gesetzt, ja festzementiert. Für sinnlose Rockwettbewerbe war und sei – vom Bund bis zu den Kommunen – manchmal trotz Haushaltskrise sogar noch leicht Geld zu bekommen. Aber Wettbewerbe mit Siegern, die kaum einer haben wolle, weil die Industrie sich ihre Bands nach anderen Kriterien sucht und ohnehin zu viele Kandidaten auf der Stange sitzen habe, wie es die Diskussionsrunde mit Gorny und Heinz Canibol/EMI Records nochmals untermauerte, solche Wettbewerbe mache man nur wenn man selbst keine szene-relevanten Ideen habe oder der Mut zum Wandel fehle. Mit Zuschussanträgen für infrastrukturbildende Maßnahmen biss und beisse sich die Basis dagegen meist die Zähne aus. Dabei multipliziere eine funktionierende Infrastruktur die Ergebnisse für lebendige und kreative Musikszenen – auch in finanzieller Hinsicht, wie am Beispiel von mehreren „Best practice"-Modellen bei der Konferenz dokumentiert wurde.

Noch werde „Rock- und Popförderung bislang zu wenig als Teil der Wirtschaftsförderung" gesehen, so NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück bei der „2. Konferenz zur Förderung der Popularmusik in Deutschland". So ein Ergebnis der dreitägigen Tagung von rund 140 Fachleuten aus Verbänden, Plattenfirmen und Verlagen, von Veranstaltungsbranche und Politik in Bochum. Zur Kontaktbildung, Effizienzsteigerung, Qualifizierung, Sponsorenakquise und für Fundraising sollten Netzwerkknoten auf Bundes- und Länderebene geschaffen werden, so ein weiteres zentrales Konferenzergebnis. Für die Umsetzung wollen der Deutsche Musikrat, die zuständigen Bundesministerien sowie die Szene enger kooperieren. Bernd Schweinar, Bayerischer Rockintendant und Tagungsteilnehmer, reflektiert Inhalte und Ergebnisse der Veranstaltung, die von NCC Cultur Concept gGmbH und der Volkswagen Sound Foundation finanziert und von der B.A.ROCK-Bundesarbeitsgemeinschaft der Musikinitiativen e.V. organisiert wurde. Dieter Gorny stellte 1997 bei der „1. Konferenz..." in Osnabrück die ketzerische Frage: „Gibt es eigentlich irgend etwas über Rockförderung zu sagen, was in den letzten zehn Jahren nicht gesagt worden ist?" Die Kontrapunkte waren über Jahre gesetzt, ja festzementiert. Für sinnlose Rockwettbewerbe war und sei – vom Bund bis zu den Kommunen – manchmal trotz Haushaltskrise sogar noch leicht Geld zu bekommen. Aber Wettbewerbe mit Siegern, die kaum einer haben wolle, weil die Industrie sich ihre Bands nach anderen Kriterien sucht und ohnehin zu viele Kandidaten auf der Stange sitzen habe, wie es die Diskussionsrunde mit Gorny und Heinz Canibol/EMI Records nochmals untermauerte, solche Wettbewerbe mache man nur wenn man selbst keine szene-relevanten Ideen habe oder der Mut zum Wandel fehle. Mit Zuschussanträgen für infrastrukturbildende Maßnahmen biss und beisse sich die Basis dagegen meist die Zähne aus. Dabei multipliziere eine funktionierende Infrastruktur die Ergebnisse für lebendige und kreative Musikszenen – auch in finanzieller Hinsicht, wie am Beispiel von mehreren „Best practice"-Modellen bei der Konferenz dokumentiert wurde. Netzwerkknoten Das unlängst in den GEMA-Nachrichten vorgestellte „Bayerische Modell" von effizienter Rockförderung belegte dies nachhaltig mit Zahlen. Ausschlaggebend für den Erfolg war, dass das zuständige Landesministerium das für den Start unbedingt erforderliche Vertrauen in die Szene besaß, um eine Stelle als Netzwerkknoten zu finanzieren und diese – trotz massiver Kritik – auch direkt bei der Szene anzusiedeln und nur via Verwendungsnachweis zu kontrollieren. Die bayerische „Rockintendanz" habe sich aufgrund dieser Eigenständigkeit bewährt und zum Beispiel binnen vier Jahren 775.575 Mark von Sponsoren für Veranstaltungen akquirieren können. Mit einer umfangreichen Datenbank ( www.allmusic.de ) ist man Informationsknoten für alle Musiksparten. Und zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft Jazz in Bayern e.V. und weiteren Vereinen gründete man sogar eine GmbH (Digitall Music), um weiteres Kapital zu erwirtschaften, mit dem Aktivitäten finanziert werden, für die es keine oder nicht mehr ausreichende öffentliche Fördergelder gibt. Ein ähnlich erfolgreiches Modell ist die „Rockstiftung Baden-Württemberg e.V.". Hier finanziert das Land und der Südwestrundfunk mit jeweils jährlich 100.000 Mark die Personalstruktur. Dirk Metzger, Geschäftsführer der „Rockstiftung" qualifiziert mit hochkarätigen Referenten aus der Musikbranche Nachwuchsmusiker und fungiert quasi als Talentscout, der ambitionierte Bands aus Baden-Württemberg filtert, die vielversprechendsten in einem Bandpool bündelt und mit Fachleuten coacht. Wer aber finanziert diese Netzwerkknoten? Aus Sponsorenleistungen von Unternehmen sei – mangels Publikumskontaktzahlen – zumindest in der Aufbauphase der Anfangsjahre kaum mit Geld für eine solche Personalstelle zu rechnen. Die Plattenindustrie habe auch kein Interesse hier fördernd einzugreifen, wie Heinz Canibol (EMI) durchblicken ließ. Hier, so ein Tagungsergebnis, bleibe es wohl Aufgabe der Politik, durch Bereitstellung von Fördermitteln den personellen Einstieg zu ermöglichen. Später könnten daraus durchaus mischfinanzierte Trägermodelle (Kultusministerium, Wirtschaftsministerium, Erlöse Sponsoring-Projekte) werden. Wenngleich Sponsoring – weil zeitlich eng begrenzt und nicht dauerhaft wiederholbar – nicht als Allheilmittel für die Grundfinanzierung gelten dürfe. Fakt sei – und das unterstrichen die Best-practice-Beispiele von „Rockzentrum Hannover gGmbH", „MusikKomm gGmbH", „Digitall Music GmbH" und „mov.a.bit GmbH" in unterschiedlicher Weise – dass Netzwerkknoten Produktivität generieren und Arbeitsplätze schaffen. Popularmusik steigere den Freizeitwert einer Stadt oder Region enorm und erhöhe deren Wert im Wettstreit der Standortfaktoren für Unternehmensansiedlungen. Qualifizierung und Beratung Nicht nur Musiker brauchen Qualifizierung und Beratung sondern auch Kleinbetriebe der Szene (Independent-Plattenlabels, Clubs oder Veranstalter). Kreativität sei nur ein Teil des absolut Unerlässlichen. Betriebswirtschaftliches Know-how und Existenzgründungsberatung müssten unbedingt in ein flächendeckendes Qualifizierungssystem der Szene eingebunden werden, um eine lückenlose Entwicklung von Brancheneinsteigern bis hin zu Musiker-Profis oder kommerziell erfolgreichen Unternehmen zu gewährleisten. Um möglichst hohe Streuung zu erreichen, so die Fachleute in den beiden Arbeitsgruppen Qualifizierung und Beratung, solle vieles flächendeckend und weniges zentral wirken. Ausbildung in der Musikbranche bedeute nicht nur Ausbildung zum Popstar, sondern impliziere die Ausbildung zu Kreativitätsplattformen (Produzent oder Agent) und müsse daher konsequenterweise, so Marlene Wartenberg, Geschäftsführerin des Deutschen Musikrates „interdisziplinär" erfolgen. Notwendige Statistiken Ganz allgemein wurde in der zuständigen Arbeitsgruppe bemängelt, dass es kaum fundiertes Zahlenmaterial über den Popularmusiksektor gebe. Zahlenmaterial, das der Legitimierung gegenüber der Kultur- und Wirtschaftspolitik dient. Für den Profibereich hat der IDKV-Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft e.V. im Herbst 1999 bei der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) eine Marktstudie zum Konsumverhalten von Konzertgängern in Auftrag gegeben. Diese Studie wird unter 3.000 von der GfK repräsentativ ausgewählten Konsumenten durchgeführt und beinhaltet zum Beispiel die Häufigkeit der Konzertbesuche, Art der Veranstaltungen, Höhe der gezahlten Eintrittsgelder oder Reaktionen auf Werbeaktivitäten. Diese voraussichtlich im Januar 2000 erscheinende Studie könne aber nicht der Weisheit letzter Schluss sein, war sich das Plenum einig. Erforderlich seien eine ganze Reihe weiterer Untersuchungen, deren Fragedesign möglichst unter Einbeziehung von Spezialisten aus den Szenen erstellt werden sollten. Informationsplattformen Ergebnis der Tagung war auch, dass man sich wegen der kürzer werdenden Zyklen von Veränderungen im Rock-/Popbereich, möglichst auch zwischen den wohl nur im zweijährigen Turnus stattfindenden Bundeskonferenzen in Arbeitsgruppen treffen wolle. Dies könnte unter dem Dach des Deutschen Musikrates stattfinden, der möglicherweise auch bessere Perspektiven für die Finanzierung dieser Gremien habe. Neue Teilnehmer/innen seien dazu herzlich eingeladen. Infos zum Thema unter www.news.allmusic.de . Den passwortgeschützten, kostenlosen Zugang kann man über die B.A.ROCK (Kaiser-Wilhelm-Ring 20, 50672 Köln, Fax 0221/222 74 50, E-Mail: barock [at] netcologne.de (barock[at]netcologne[dot]de) ) anfordern.

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