Berlin. Philharmoniker in Not! Unter diesem Zeichen setzt die winterliche Saison ein. Das weit über die Grenzen Berlins und Deutschlands hinaus bekannte Orchester befindet sich in so großer wirtschaftlicher Not, dass es in seinem Bestande gefährdet ist.
Gewiß erhalten die Philharmoniker seitens der Stadt eine Subvention, die aber natürlich unter den heutigen Verhältnissen nicht im entferntesten ausreicht, den ganzen Apparat für längere Zeit über Wasser zu halten. Sie bedürfen dringend weiterer Hilfsmittel, wenn anders nicht – und es sollen einzelnen Künstlern bereits Angebote vom Auslande gemacht sein – diese Körperschaft sich auflösen soll. Es ist ein bedenkliches Zeichen, aber doch ein Zeichen der Zeit, dass die wirtschaftliche Not auch solche Institute zu gefährden droht. Was hier einem ganzen Orchester bevorsteht, das wiederholt sich im Kleinen bei einzelnen Konzertgebern. Der deutsche Künstler ist fast außerstande, die hohen Beträge aufzubringen, die für Saalmiete und alle Nebenausgaben notwendig sind. So haben denn nicht nur Anfänger, sondern auch Künstler mit Namen entweder die Zahl ihrer Konzerte verringert, oder überhaupt auf ein Konzert verzichtet. Teilweise sind sie dazu übergegangen, an Stelle der Orchesterbegleitung sich mit einer Klavierbegleitung zu begnügen. […] Daraus darf nicht geschlossen werden, dass nun etwa die Konzertflut in Berlin einigermaßen abgeebbt wäre. Im Gegenteil: die Säle sind nach wie vor begehrte Objekte. Nur eben das Inland tritt gegenüber dem Ausland mehr und mehr in den Hintergrund, und hier wiederum sind es vor allen Dingen Amerikaner, die es um des berühmten Dollarstandes wegen wagen können, auch wenn sie daheim keinen Namen haben, in Berlin ein Konzert zu geben, und neben ihnen sind besonders zahlreich russische Künstler vertreten, die aus der Heimat verdrängt in Deutschland Obdach gefunden haben. […]
Lothar Band, Neue Musik-Zeitung, 43. Jg., 2. November 1922