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Zimmermanns letztes Werk uraufgeführt - Vor 50 Jahren – nmz 1972/10
Zimmermanns letztes Werk uraufgeführt - Vor 50 Jahren – nmz 1972/10
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Vor 50 Jahren – nmz 1972/10

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Zimmermanns letztes Werk uraufgeführt
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Mancherlei Überflüssiges ist ins Olympische Kunstprogramm von München, Kiel und Augsburg auch im musikalischen Bereich gelangt, der Sache kaum würdig, die aufgewandten Mittel kaum der Rede wert. Hier indessen ist vom Gegenteil zu reden, einer Unternehmung, die sich auszahlen wird, weit über den olympischen Anlaß hinaus. Der Kieler Generalmusikdirektor Hans Zender hatte an fünf führende Komponisten der mittleren Generation Werkaufträge für ein Festkonzert […] vergeben, und diese Aufträge nicht, wie andere in diesem olympischen Sommer, blind in alle Himmelsrichtungen gejagt, sondern sie so gezielt, dass keine der eingereichten Arbeiten eine Eintagsfliege geworden ist.

Das Gewicht dieses Konzertes […] wurde durch die Tatsache gemehrt, dass in ihm das letzte Werk Bernd Alois Zimmermanns, wenige Tage vor seinem Freitod am 10. August 1970 beendet, uraufgeführt wurde. Michael Gielens Äußerung, dass der Tod sich organisch an Zimmermanns Werk gefügt, dass die Musik sich von ihm weg entwickelt und er sich geweigert habe, dem Zeitgeist zu folgen, dass ein Neuansatz für ihn nicht mehr möglich war, gewinnt angesichts dieser letzten schöpferischen Äußerung gesteigerte Richtigkeit. Ernsteres, Endgültigeres, Entrückteres in einem durchaus brutalen Sinne ist vielleicht in diesem Jahrhundert nicht komponiert worden. Der dieses schrieb, war nicht mehr von dieser Welt. Das Ende dieses Stücks, das mit letzter großer Gebärde rafft, was an musikalischem Erbe uns anvertraut wurde, macht Schaudern. Da steht der gleiche Bach-Choral, den Alban Berg an das Ende seines Violinkonzerts und damit seines vollendeten Œuvres überhaupt setzte („Es ist genug“), und dazu tritt die Klage der Baßstimme, die mit den Worten „Weh dem, der allein ist“ endet. […]

Zimmermann nennt sein summum opus metaphysicum eine „Ekklesiastische Aktion“. Die Betonung liegt auf dem Adjektiv und auch auf dem Substantiv. Er fordert nämlich tatsächlich direkte Aktion der Sprecher, des Sängers und des Dirigenten, der sich am Schluß hockend in Meditationsstellung begeben soll. Zender hat dieses Aufbrechen der Konzertform und ihr Ausweiten ins Szenische nicht mitgemacht. Mit einiger Berechtigung wohl […]. Deutlicher, lapidarer kann ja niemand sagen, was er zu sagen hat. […]

Peter Dannenberg, Neue Musikzeitung, XXI. Jg., Nr. 5, Oktober/November 1972

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