[…] Die Wuppertaler Bühnen kümmern sich seit 1964, seit Beginn der Intendantenzeit Arno Wüstenhöfers, in ganz spezifischer Weise um das zeitgenössische Musiktheater. Die Initiativen dazu kommen von Kurt Horres, Direktor und erster Regisseur der Oper. Zwei bis drei Produktionen neuer Opern oder Ballette pro Saison – das ergibt die Summe von 23 solcher Werke in acht Jahren. Dabei hat Horres, neben der Erarbeitung von Standardwerken wie „Wozzeck“, sein Augenmerk vor allem auf Stücke gerichtet, die (wie Milhauds „Christoph Colombe“) in der Ungunst der Zeit, nach 1933, zumindest im deutschsprachigen Raum, vergessen worden sind; die lautstarke Premieren-Erfolge oder eklatante Mißerfolge waren, danach nicht mehr nachgespielt wurden, die – um es theaterpraktisch zu sagen – ihre Repertoirefähigkeit nicht beweisen konnten.
In Wuppertal erscheinen derartige alte Novitäten langfristig im Spielplan. Sie gehen durch alle Abonnements, erreichen mindestens 14 und höchstens 18 Aufführungen […] und bewirken eine Platzauslastung bis zu neunzig Prozent. Zum zweitenmal gab es nun in der Ära Wüstenhofer/Horres in Wuppertal eine Woche zeitgenössischen Musiktheaters. Sie wurde frei verkauft, und hier erschien beispielsweise noch einmal Lars Johan Werles Oper „Thérèse – ein Traum“, der die Wuppertaler Inszenierung, nach Aufführungen in Stockholm und Aarhus, rein theoretisch den Durchbruch gebracht haben könnte. Ähnlich verhält es sich mit Bibalos „Das Lächeln am Fuße der Leiter“, 1965 als Auftragswerk an einen weltweit unbekannten Komponisten in Hamburg kreiert und nach wenigen Vorstellungen wieder vergessen. Die Schwierigkeiten dieser Oper, die im Spannungsfeld zu Henry Millers Novelle, nach der Bibalo das Libretto selbst schrieb, begründet liegen, traten in Hamburg damals klar zu Tage und konnten auch in Wuppertal noch nicht restlos ausgeräumt werden. […] Und dennoch ein Riesenerfolg. Wuppertal könnte Bibalos Oper dem Repertoire erschlossen haben.
Hanspeter Krellmann, Neue Musikzeitung, XXII. Jg., Nr. 2, April/Mai 1973