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Wer Oper will, kann sie auch finanzieren?

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Der Dirigent Ingo Metzmacher schmeißt Hamburg hin: Ein Krisenszenario · Von Gerhard Rohde
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Im Oktober 1989 fand im Forschungsinstitut für Musiktheater auf Schloss Thurnau ein Symposion statt. Titel der Veranstaltung: „Musiktheater – um welchen Preis?” Einer der Referenten war Hilmar Hoffmann, damals erfolgsverwöhnter Kulturdezernent von Frankfurt am Main mit neuem Museumsufer, Frankfurt Festen, Gielen-Oper und dem höchsten Kulturetat einer westdeutschen Kommune. Hoffmann formulierte in Thurnau: „Wenn wir sie wollen, dann gibt es die Oper auch. Die Frage lautet nicht, ob sie objektiv finanzierbar ist oder nicht, sondern ob man sie finanzieren will.” Was danach in der Realität folgte, entsprach nicht immer den stolzen Worten, die gleichwohl ihre Richtigkeit behielten – bis heute.

Auch vierzehn Jahre später hat sich nichts am Zustand der Kultur, des Theaters und der Musik in diesem unserem Land geändert. Im Gegenteil: alles ist noch schlimmer geworden, auch und besonders für die Institutionen, in denen das abendländische Musikleben bewahrt und fortentwickelt wird. Das einzige Wachstum auf diesem Sektor verzeichnet das Roundtable-Geschwätz: Die neue Staatsministerin für Kultur spricht mit dem Bundespräsidenten, dieser setzt eine Expertengruppe ein, diese produziert nach ausführlichen Diskussionen „Überlegungen zur Zukunft von Oper und Theater in Deutschland” als Zwischenbericht für den Bundespräsidenten. Tenor: „Es geht um nichts Geringeres als um unser Selbstverständnis als Kulturnation.“

Inzwischen schreitet die schlimme Zeit voran. Opernbühnen, Konzerthäuser, Orchester und Theater ächzen immer vernehmlicher unter steigenden Kosten und sinkenden Subventionen. Tarifsteigerungen fressen den Anteil für die eigentliche Kunstproduktion in den Etats auf. Letzte Meldung: Hamburgs Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher wird seinen Vertrag über das Jahr 2005 hinaus nicht verlängern, aus den genannten Gründen. Und Hamburgs Kultursenatorin fällt dazu laut Metzmacher als Antwort nur ein, dass sie dazu nichts sagen könne.

Damit wäre man beim entscheidenden Punkt: Der Kultursenatorin, den Kulturdezernenten fällt nichts mehr ein. Man möchte deren Namen eigentlich nicht mehr nennen, um den Personen nicht noch weiter öffentliche Beachtung zukommen zu lassen. Aber wie Dana Horáková in Hamburg, Hans-Bernhard Nordhoff in Frankfurt am Main oder Thomas Flierl in Berlin (um nur die derzeitigen „Hauptdarsteller” zu erwähnen) mit dem Gegenstand Oper, Orchester und Theater umgehen – es wäre mit dem Wort Dilettantismus geradezu wohlwollend bezeichnet. Bevor man jedoch ständig auf den Kulturpolitikern herumhackt, müsste man auch einmal danach fragen, wer denn alle diese inkompetenten Worthülsenproduzenten und parteiproporzionierten Bürohocker ins Amt gehoben hat. Da fällt einem rasch das Zitat vom Mörder und Ermordeten und der umgedrehten Schuldzuweisung ein.

Das Trostlose an der unendlichen Debatte aber ist, dass diese nun schon seit ebenso unendlich vielen Jahren geführt wird. Unsere Überschrift stand schon vor einem Jahrzehnt über einem Kommentar zum selben Thema, nur damals noch ohne Fragezeichen. Doch man soll ja nie aufgeben: Auch die kulturpolitische Predigt ist eine unendliche. Wer für unsere Städte an der Vorstellung einer Civitas festhalten will, kann einer umfassenden Definition des dazugehörigen Kulturbegriffs nicht ausweichen. Die allgemeinen Bildungseinrichtungen, Oper und Theater zählen ebenso dazu wie Bibliotheken, Museen, Musikschulen, auch der Film sowie der weite Bereich der neuen medialen Ausdrucksmittel. Das alles müsste unter dem Oberbegriff „Kulturförderung” endlich auch (wie zum Beispiel vorbildlich schon im Freistaat Sachsen geschehen) Verfassungsrang erhalten, damit sich nicht jedes Land, jede Kommune je nach Kassenlage und Tageslaune aus der kulturpolitischen Verantwortung stehlen kann.

Hier hätten auch fachlich qualifizierte Kulturdezernenten ein ideales Betätigungsfeld: diesen rechtlich fixierten Kulturanspruch politisch durchzusetzen. Dazu muss man den politischen Diskurs mit Parlamenten und Fraktionen aufnehmen, ebenso das ständige Gespräch mit den Zuständigen „seiner” Kulturinstitute. Wer bei Kultur nur an „Events”, Openairfestivals, Einschaltquoten denkt oder mit Briefen in mürrischem Amtsdeutsch seinen Intendanten Etatkürzungen ankündigt statt die Schwierigkeiten erst einmal unter vier Augen zu besprechen, der ist für sein Amt ungeeignet. Einige Namen stehen als Beispiele für viele andere schon weiter oben. Dass unter solchen personellen Voraussetzungen in den Kulturämtern die „Oper” künftig nicht mehr finanzierbar sein könnte, möchte man unbesehen glauben.

Aber so nicht akzeptieren. Die Existenz der Kunstgattung Oper legitimiert sich inhaltlich aus sich selbst: Die Oper gehört zu den großen Hervorbringungen der abendländischen Kultur. Sie diente und dient auch dem gehobenen Vergnügen, aber sie ist zugleich ein Faktor unserer Identität, der Ausbildung unserer Phantasie und Emotionalität. Alexander Kluge sprach einmal vom „Kraftwerk der Gefühle“ . Man möchte das Wort ergänzen: Oper hat auch mit Geist, Intelligenz, Bewusstheit zu tun. In einem Land, das jeden siebten Wissenschaftler an Amerika verliert, ist solche Erkenntnis wohl schwer zu vermitteln.

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