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Wie frei kann der Kreative sein?

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Der Deutsche Medienrat lud zu einer Diskussion in die Berliner Landesvertretung Sachsen-Anhalt
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„Mythos Unabhängigkeit: Jede Meinung hat ihren Preis“ – unter dieser Headline diskutierten am 16. Oktober Vertreter diverser Kulturverbände in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt über die aktuellen Rahmenbedingungen ihrer Arbeit. Geladen hatte der Deutsche Medienrat – Film, Rundfunk und Audiovisuelle Medien, eine Sektion des Deutschen Kulturrats.„Die Kunst geht nach Brot“, hieß es schon in Lessings „Emilia Galotti“.

Zwei Jahrhunderte später hat sich daran nicht viel geändert. Wirklich uneingeschränkt frei seien nur die Kreativen, „die weder für die Herstellung noch für die Verwertung auf finanzielle Mittel anderer angewiesen sind“, brachte es Klaus Schae­fer, der langjährige Chef des für die Film- und Gamesförderung zuständigen FilmFernsehFonds Bayern auf den Punkt. Eine Lage, in der sich wohl die wenigsten der rund 50 Teilnehmer des Symposiums befinden. Weshalb sich das Treffen flugs in eine kollektive Klage über die je nach Sparte unterschiedlich gelagerten ökonomischen Zwänge im gegenwärtigen Medienbetrieb verwandelte.

Ohne die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, das ist eine Binse, läuft hierzulande in der audiovisuellen Produktion wenig. Gemeinsam mit den Privatsendern bildeten ARD und ZDF ein Oligopol, an dem kaum ein Kreativer vorbeikomme, konstatierte Drehbuchautor Pim Richter. Wie er arbeiteten sich auch andere Teilnehmer vor allem an den Öffentlich-Rechtlichen ab. Schauspieler und Regisseur Kai Wiesinger beklagte unzumutbare Formatkorsette und unflexible Redaktionen. Thomas Frickel, Vorsitzender der AG Dokumentarfilm, hieb in die gleiche Kerbe: ARD und ZDF diktierten als faktisch alleinige Auftraggeber die Konditionen. Er beklagte Rasterdenken von Redaktionen, wetterte gegen Gagendumping und beschwor die damit einhergehende Gefahr einer Entprofessionalisierung des deutschen Dokumentarfilms. Eben erst wurde ein im Auftrag der AG Dok erstelltes Gutachten vorgelegt, das den Gesetzgeber animieren will, den öffentlich-rechtlichen Anstalten Vorgaben zur Verwendung des Rundfunkbeitrags zu machen. Auch Dokus könnten dabei  explizit mit Mindest-Budgets bedacht werden, ohne dass die Programmautonomie der Sender in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt würde.
Hier hätte nun eine fruchtbare Debatte zwischen Medienpolitikern, öffentlich-rechtlichen Auftraggebern und Kreativen beginnen können. Dummerweise fehlte ausgerechnet der christdemokratische Gastgeber Rainer Robra, Staats- und Kulturminister von Sachsen-Anhalt. Und mit Karl Karst, Programmchef des Kulturradios WDR 3, hatte sich auch der einzige ARD-Vertreter entschuldigen lassen.

In die Bresche sprang Colin Hoffmann vom Justiziariat der Deutschen Welle, ein Sender, der bekanntlich direkt aus dem Bundeshaushalt finanziert wird. ARD und ZDF seien zwar aufgrund der Beitragsfinanzierung nicht auf Gewinnerzielung angewiesen, hielt er fest. Andererseits seien sie verpflichtet, „Minderheiten aller Art, einem bildungsfernen Publikum ebenso wie den Eliten und dem Bildungsbürgertum“ gerecht zu werden.  Aus diesem Spagat erklärten sich „von seichten Formaten getragene Unterhaltungsstrecken, überteuerte Sportübertragungen und auf wenig prominente Sendeplätze abgeschobene Bildungssendungen und gehobene Info- und Dokumentationsprogramme“.

Über weite Strecken ging das Treffen nicht über den Austausch lobbyistischer Argumente in eigener Sache hinaus. Das ergab immerhin eine Art Bestandsaufnahme der konkreten Arbeitsbedingungen in so unterschiedlichen Mediengattungen wie Kino, Fernsehen, Hörspiel und Games. Haften blieb vor allem ein Satz von Christian Höppner, dem Präsidenten des Deutschen Kulturrats. Anders als in anderen Teilen Europas  existiere hierzulande in den Medien noch eine breite kulturelle Vielfalt. Aber: „Im Zeitalter der Digitalisierung und Ökonomisierung fast aller Lebensbereiche ist sie massiv bedroht.“
 

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