Endlich ist das Herunterladen von Musik aus dem Netz legal, aber ist es immer noch attraktiv? In den USA kämpfen bereits eine ganze Reihe von Serviceanbietern um Marktanteile – und es werden weltweit immer mehr. Mittlerweile ist es fast unmöglich geworden, sich einen Überblick über alle angebotenen legalen online Musikvertriebe zu verschaffen. Wer sich nicht auf die Werbekampagnen verlassen will, in der vor allem iTunes seinen Service als cooles Optimum für Musikfans präsentiert, muss sich bei jedem Anbieter durch einen Dschungel von Nutzungsbedienungen kämpfen.
Restriktionen wie etwa Limits beim Herunterladen auf verschiedene Computer, Kompatibilitätsprobleme mit CD-Brennern und MP3-Playern werden bestenfalls versteckt erwähnt. Und ohne – manchmal langwierigen – Software-Download können viele Serviceangebote erst gar nicht eingesehen, geschweige denn ausprobiert werden. Andere Anbieter fordern Angaben zur Person, inklusive Kreditkartennummer, bevor sie dem Nutzer ihr Archiv öffnen.
Problematisch ist auch die Inkompatibilität von Technologien der einzelnen Angebote, die eine gleichzeitige Nutzung verschiedener Musikstores quasi ausschließt. Häufig lassen sich die heruntergeladenen Titel nur innerhalb der Jukebox des jeweiligen legalen Musikvertriebs speichern. Und wer will schon seine Musik von verschiedenen Dateien aus anhören? Zudem ist trotz anwachsender Speicherkapazität von Homecomputern allein mit Softwaredownloads für die Jukeboxes unterschiedlicher Anbietern die Festplatte schnell voll. Offensichtlich geht es den Anbietern mehr darum, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen, als den Bedürfnissen der Musikfans nachzukommen.
Dies zeigte sich auch in einer Massen-E-mail, die Musicmatch (www.Musicmatch.com) an seine Kunden schickte, worin gewarnt wurde, dass bei der Installation von iTunes automatisch die – übrigens bereits global funktionstüchtige – Musicmatch Jukebox entfernt würde. Ein Test seitens der nmz ergab jedoch, dass Apple dies mittlerweile behoben hat, zumindest, wenn der von Apple genutzte Quicktime-Player nicht als Default-Player installiert wird.
Der von Medienseite hoch gelobte Apple iTunes-Service (www.iTunes.com) hat seit dem Starttermin im April diesen Jahres bereits einige Verbesserungen durchlaufen. Und auch wenn seit April bereits zehn Millionen Titel in den USA verkauft wurden, kann sich Apple nicht leisten, darauf auszuruhen. Die Konkurrenz schläft nicht –, deshalb schaltet man sie besser aus. So können die aus gekauften Songs erstellten Playlists und bereits auf dem Computer gespeicherten MP3s nur mit iTunes-kompatiblen Geräten auf CD gebrannt werden. Als MP3-Player ist ausschließlich der von Apples selbst entwickelte iPod kompatibel. Kundenfreundlich ist das nicht. Und man muss sich fast fragen, ob es legal sein kann, Musikfans, die bereit sind für über Filesharingservices noch immer gratis beziehbare Songs zu bezahlen, zum Kauf einer bestimmten Marke zu zwingen.
Was derzeit auf dem online-Musikmarkt passiert, erinnert sehr an den Browser-Kampf der 90er. Die Anbieter versuchen um jeden Preis, die Konkurrenz vom Markt zu verdrängen. Tatsache ist, dass derjenige Musikservice, der es jetzt schafft, die Nummer eins zu werden, gute Chancen hat, in Zukunft als Standard zu gelten. Tatsache ist aber auch, dass diejenigen Musikfans, die jetzt auf den falschen Standard setzen, in Zukunft ihr online-Musikarchiv vermutlich wieder ganz von vorne aufbauen müssen.
Schon jetzt gilt: Wer sich für einen Service entscheidet, bleibt besser auch dabei. Das von RealNetworks finanzierte Listen.com (www.Listen.com) erlaubt den Nutzern von Rhapsody die Songs etwa nur zu streamen. Begründet wird dies damit, dass das Herunterladen zu lange dauern, die Streaming-Lösung damit die komfortablere wäre. Die Songs können zwar direkt von der Rhapsody-Jukebox für je 79 Cents zusätzlich zur Abogebühr auf CD gebrannt werden, allerdings nicht von einem anderen Player abgespielt oder auf Festplatte gespeichert werden. Für Musikfans bedeutet das Null Kompatibilität zu anderen online Musikvertrieben. Und was, wenn Rhapsody sich nicht durchsetzt? Alle bisher nicht auf CD gebrannten Songs wären damit verloren. Ein Problem, das derzeit auch die Studenten der Pennsylvania State University beschäftigt. Per Vertragsabschluss der Universität mit Napster dürfen sie nun zwar so viele Songs, wie sie wollen, auf ihren Computer laden, sobald sie aber ihr Studium beenden und ihr Computer nicht mehr ans Netzwerk der Penn-University angeschlossen ist, haben sie auch keinen Zugang mehr zu ihrem Musikarchiv. Mit Recht protestieren die Studenten nun, dass die 160 Dollar aus dem IT-Budget, die von der Universität pro Semester und Student an Napster bezahlt werden, besser anderweitig investiert werden könnten. Die Universität argumentiert, mit dem Deal etwaigen Rechtsklagen der RIAA vorzubeugen.
Aber auch für zahlende Kunden gibt es eine Reihe von Restriktionen. Um den Vorgaben der RIAA und den vertraglichen Bindungen zur Musikindustrie gerecht zu werden, können innerhalb des Netzwerks der legalen Musikvertriebsdienste einzelne Songs nur limitiert herunter geladen und ebenso wenig beliebig oft auf CD gebrannt werden. Häufig können die Titel ausschließlich innerhalb der herunterladbaren Jukebox gespeichert werden. Napster etwa erlaubt das Brennen einer Playlist bis zu fünf Mal, iTunes bis zu zehn Mal.
Und letztlich gibt es in den Archiven der online-Musikvertriebe nicht einmal alle Musikstücke, die man gerne hätte. Die Anzahl der verfügbaren Songs schwankt je nach Anbieter zwischen 250.000 (Musicmatch) und 500.000 (Napster), wobei bisher fast ausschließlich die fünf großen Konzerne zuliefern. Der große Vorteil des Internets, jungen Bands und kleinen Independent Labels eine gleichberechtigte Chance neben den Giganten der Musikbranche zu geben, geht damit verloren. Statt den Musikmarkt zu diversifizieren tragen die Online-Musikvertriebe zu einer Verstärkung der Konzentration bei. Zudem sind die Technologien bisher vor allem auf den online als am lukrativsten geltenden Popsektor zugeschnitten. Jazz-Stücke, die eine Länge von fünf Minuten übersteigen, Opern, klassische Werke, ernste Musik findet man kaum. Bestimmte Songs werden exklusiv nur von einem Musikvertrieb angeboten. Wird der Musikfan bei so vielen Restriktionen und Unsicherheiten nicht doch lieber wieder in den Plattenladen gehen oder doch wieder auf illegale Filesharing-Angebote ausweichen? Denn was sind nun eigentlich die Vorteile der neuen legalen online-Musikvertriebe? Den Softwareentwicklern erschließt sich eine neue Einnahmequelle, den großen Musikkonzernen eine zusätzliche Vertriebsplattform. Und die Musikfans? Die sollen bezahlen.
In der nächsten Folge stellen wir ihnen die Serviceangebote im Vergleich