Hauptrubrik
Banner Full-Size

Zwischen Kontinuität und Wandel

Untertitel
Die Neue Bach-Gesellschaft wurde vor 100 Jahren gegründet
Publikationsdatum
Body

Doch immer war das nicht so. Bereits einige Jahrzehnte nach seinem Tod war Bach und sein Werk fast in Vergessenheit geraten. Erst die legendäre Wiederaufführung seiner Matthäuspassion durch die Berliner Singakademie unter dem 22-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy brachte im Jahr 1829 den berühmten Thomaskantor der Musikwelt zurück. Das Fehlen einer Druckausgabe der Werke Johann Sebastian Bachs behinderte jedoch die Pflege seiner Musik. Dem sollte Abhilfe geschaffen werden. Im Jahre 1850 wurde auf Initiative des Thomaskantors Moritz Hauptmann, Robert Schumanns und des Musikverlages Breitkopf & Härtel die Bach-Gesellschaft gegründet. Sie machte es sich zur Aufgabe, eine vollständige kritische Ausgabe aller Werke Bachs herauszugeben. Nach fünfzig Jahren war dieses umfangreiche Vorhaben abgeschlossen, die Bachgesellschaft wurde am 27. Januar 1900 satzungsgemäß aufgelöst.

Bach-Feste, Bach-Tage, Bach-Wochen, Bach-Projekte, Bach-Kolloquien und -Symposien. Von regional bis international. Das Jahr 2000 gehört zweifelsohne einem Komponisten: Johann Sebastian Bach. Am 28. Juli gedenkt die Musikwelt seines 250. Todestages. So populär wie jetzt war Bach nie. Doch immer war das nicht so. Bereits einige Jahrzehnte nach seinem Tod war Bach und sein Werk fast in Vergessenheit geraten. Erst die legendäre Wiederaufführung seiner Matthäuspassion durch die Berliner Singakademie unter dem 22-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy brachte im Jahr 1829 den berühmten Thomaskantor der Musikwelt zurück. Das Fehlen einer Druckausgabe der Werke Johann Sebastian Bachs behinderte jedoch die Pflege seiner Musik. Dem sollte Abhilfe geschaffen werden. Im Jahre 1850 wurde auf Initiative des Thomaskantors Moritz Hauptmann, Robert Schumanns und des Musikverlages Breitkopf & Härtel die Bach-Gesellschaft gegründet. Sie machte es sich zur Aufgabe, eine vollständige kritische Ausgabe aller Werke Bachs herauszugeben. Nach fünfzig Jahren war dieses umfangreiche Vorhaben abgeschlossen, die Bachgesellschaft wurde am 27. Januar 1900 satzungsgemäß aufgelöst. Noch am gleichen Tag konstituierte sich die Neue Bachgesellschaft (NBG). Denn trotz der vollständigen Werkausgabe war der Bekanntheitsgrad Bach’scher Werke außerordentlich gering. Die NBG machte es sich zum Ziel, ein größeres Publikum zu erreichen. Dazu konnte sie sich auf drei Säulen stützen: auf praktische Ausgaben des in der Gesamtausgabe vorliegenden Werkes, auf die Veranstaltung von Bach-Festen und auf die Veröffentlichung des Bach-Jahrbuches. Mit dem Kauf des Bachhauses in Eisenach im Jahr 1906 errichtete die NBG eine würdige und öffentlichkeitswirksame Gedenkstätte für das Leben und Wirken des Komponisten.

Im zweiten Weltkrieg musste die NBG erhebliche Verluste an Archivmaterialien und zeitgeschichtlichen Dokumenten hinnehmen, und nach dem Krieg kamen ihre Aktivitäten schließlich ganz zum Erliegen. Eine Zäsur, die rein pragmatische Gründe hatte: Die Kontakte der Mitglieder konnten in den Wirren des Krieges und der Zeit danach nicht funktionieren. Doch schon im Jahr 1948 erschien wieder ein Bach-Jahrbuch, und 1950 konnte das erste Bach-Fest nach dem Krieg in Leipzig stattfinden. Abwechselnd sollten sie von nun an im Osten und im Westen Deutschlands stattfinden und mussten sich doch schon bald einem neuen Dogmatismus unterwerfen. Mit den zunehmenden politischen Spannungen zwischen Ost und West wurde die Arbeit der gesamtdeutschen NBG erheblich behindert. Nur durch die Zusatzbezeichnung „Internationale Vereinigung“ und die Bildung von Sektionen in den einzelnen Mitgliedsländern wurde ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft verhindert. Adäquat zur Geschäftsstelle in Leipzig wurde eine Geschäftsstelle in Stuttgart eingerichtet, aus dem wiederum pragmatischen Grund, die verschiedenen Gegebenheiten und Währungssysteme in Ost und West zu kanalisieren.

Bedrohlichen Tendenzen war die Geschäftsstelle in Leipzig ausgesetzt. Die Aktenöffnung nach der Wende belegt, dass durch die geplante Gründung eines Bach-Komitees die Neue Bachgesellschaft für die östlichen Länder schlichtweg annulliert werden sollte. Um die Leipziger Geschäftsstelle besser im Auge behalten zu können, wurde sie dann allerdings „unter die Obhut“ der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten genommen.

Mit dem Jahr 1990 war allen politisch bedingten Einschränkungen ein Ende gesetzt. Die Sektion der einzelnen Länder und auch die Geschäftsstelle in Stuttgart wurde mit der Leipziger zusammengeführt. Die Vereinssatzung wurde aktualisiert und personelle Erneuerungen vorgenommen. Heute hat die NBG etwa 3.200 Mitglieder in 30 Ländern. Seit 1993 konnte ein Zuwachs von 1.000 Mitgliedern verzeichnet werden. Seit etwa drei Jahren gibt es einen bedeutsamen Mitgliederzuwachs in Frankreich. Das halbjährlich erscheinende Mitteilungsblatt der Gesellschaft erscheint deshalb auch in französischer Sprache.

Nach 1990 engagierte sich die NBG verstärkt in den südost- und osteuropäischen Ländern. So konnte in Rumänien Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden. Eine eigenständige Bach-Gesellschaft wurde dort ins Leben gerufen, denn die geringen Einkommensverhältnisse hätten die Beitragszahlungen als Mitglieder der NBG unmöglich gemacht. Mit Fördermitteln des Freistaates Sachsen, die in diesem Jahr allerdings auslaufen, wird in Rumänien eine Bach-Akademie aufgebaut.

Die NBG finanziert sich heute aus Mitgliedsbeiträgen, Fördermitteln der Stiftung Mitteldeutsche Barockmusik, durch Zuwendungen der Stadt Leipzig sowie durch Sponsoren- und Spendengelder. Noch in diesem Jahr will sie eine Johann-Sebastian-Bach-Stiftung ins Leben rufen, damit Spendengelder nicht an die öffentliche Hand zurückfließen müssen. Denn für künftige Projekte, die in der „Leipziger Erklärung 1999“ aufgelistet sind, wird jede vorhandene Mark benötigt.

So will sie neue Mitglieder, vor allem Interpreten und Wissenschaftler, auf internationaler Ebene gewinnen. Die Pflege der Werke Bachs soll in Osteuropa ausgebaut werden, da dort durch den erschwerten Zugang – vor allem im geistlichen Bereich Bachscher Kompositionen – ein gewisser Nachholbedarf besteht.

Jährlich finanziert die NBG in den Bachorten eine Kantatenaufführung. Künftig will sie sich verstärkt auch für die Aufführung von Bach-Kantaten in den Gottesdiensten der beiden großen christlichen Kirchen einsetzen, soweit die Mittel reichen. Ein weiteres Vorhaben ist die Sanierung des Bachhauses in Eisenach. Die laufenden Gespräche zur Finanzierung des Bachhauses mit Vertretern des Bundes, des Freistaates Thüringen und der Stadt Eisenach müssen deshalb in absehbarer Zeit zu einem Abschluss gebracht werden.

Die jährlichen Bach-Feste der NBG sollen künftig alle fünf Jahre in Leipzig stattfinden. Im Juli 2000 feiert sie hier ihr 75. Bach-Fest. Mit der Leitidee „Die Kontinuität wahren und den Wandel wagen“ will sie sich nach 100 Jahren ihres Bestehens ins neue Jahrtausend begeben. Zählt man die ersten 50 Jahre der „alten“ Bachgesellschaft hinzu, gehört die Neue Bachgesellschaft zu den ältesten deutschen Komponistengesellschaften.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!