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Zwischen Wettbewerb und Rundfunkrat

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Zum Rücktritt von Axel Linstädt als Künstlerischer Leiter des ARD-Musikwettbewerbs
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Axel Linstädt, bis 2012 Leiter des Programmbereichs „BR-Klassik“ und bis Juli Künstlerischer Leiter des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD, wurde in den Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR) gewählt. Die Leitung des BR jedoch erklärte die pa­rallele Ausübung beider Ehrenämter für nicht möglich. Nun trat Linstädt als Leiter des ARD-Wettbewerbs zurück.

Leicht fiel er ihm nicht, dieser Schritt. Nie hätte er vermutet, dass sich die Lage so zuspitzen könnte. „Der Wettbewerb war ein Herzblutprojekt! Er hat mir von allen beruflichen Dingen vielleicht  die größte Freude gemacht: Jungen Menschen mit solchen Begabungen eine Starthilfe zu geben...“. Und manche  Kulturschaffende wie Brigitte Fassbaender sehen den Mann, der beim Thema Klassik in München 16 Jahre lang den Ton angab, zuletzt zudem stellvertretender Hörfunkdirektor und ARD-Musikkoordinator war, als Idealbesetzung für die Künstlerische Leitung des so renommierten Musikwettbewerbs der ARD.

Neun Jahrgänge hat Axel Linstädt seit 2006 betreut, die nun im September anlaufende 64. Ausgabe noch komplett vorbereitet. Als Robert Helmschrott jedoch sein Amt als Vertreter des deutschen Komponistenverbandes (DKV) im BR-Rundfunkrat niederlegte, wählte der Landesverband Bayern des DKV Linstädt am 14. April 2015 einstimmig zu dessen Nachfolger. Der  Rundfunkrat wurde am Tag darauf informiert – Linstädts Freude aber über seine Wahl hielt nicht lange an. „Bald hieß es, es müssten noch ein paar Dinge überprüft werden.“

Der agile 68-Jährige verweist auf Art. 6, Absatz 4 des Bayerischen Rundfunkgesetzes: „Kein Angestellter oder ständiger Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks kann Mitglied des Rundfunkrats sein.(...)“ Sowohl das Amt im Rundfunkrat als auch die Leitung des ARD-Wettbewerbs sind aber Ehrenämter. „Vereinbarung über eine ehrenamtliche Tätigkeit“, steht in Linstädts Vertrag. Wo also lag das Problem?

Am 23. Mai erhält Linstädt ein Schreiben von  BR-Intendant Ulrich Wilhelm. „Der BR hat festgestellt, dass nach seiner Rechtsauffassung Rundfunkrat und Künstlerischer Leiter nicht zusammenpassen – ich solle mich entscheiden“, fasst Linstädt den Inhalt zusammen. „Ich habe das akzeptiert; obwohl meine Rechtsberater die Sachlage gänzlich anders sehen.“

Eine juristische Klärung hatte sich der langjährige Klassik-Chef durchaus überlegt. „Doch so eine Klage dauert. Und in dieser Zeit würde der DKV im Rundfunkrat nicht vertreten sein. Recht haben und Recht bekommen sind zwei Dinge, das lerne ich daraus.“ Ein höchst motivierender Anruf des Intendanten, den Musikwettbewerb nicht aufzugeben, erreichte ihn am 18. Juni. „Einen Tag später habe ich meinerseits als Künstlerischer Leiter gekündigt.“ Mit einer Entscheidung gegen das „Herzblutprojekt“ hatte man seitens des BR womöglich nicht gerechnet. Wollte man den Insider auf diese Weise im Rundfunkrat verhindern?

Der zu benennende Nachfolger übernimmt ein bestens bestelltes Terrain samt hochengagiertem Team. Für 2016 ist der Wettbewerb vorbereitet, die Jurys sind beauftragt, die Planungen für 2017 in vollem Gange. Und die Finanzlage? So gut wie nie. Linstädt selbst trug  dazu bei, die Kosten des Wettbewerbs von damals 1 030 000 Euro um ein Drittel zu reduzieren: Das Gehalt des Künstlerischen Leiters wurde gekürzt, die Jurys verkleinert, Empfänge auf ein Mindestmaß  zurückgefahren. „Der Wettbewerb unter meiner Leitung ist, das darf ich sagen, eine Erfolgsgeschichte“, bilanziert der gebürtige Nürnberger alürenfrei und legt Zahlen auf den Tisch.

Im Vergleich zum Jahr 2000 konnten die Erträge um 130 Prozent gesteigert, die Kosten von 840 000 auf 812.000 Euro gesenkt werden.“ Einen Anmelderekord gibt es außerdem. Im April 2015 verlängerten die Intendanten der ARD den Wettbewerb vorzeitig bis 2020: „Das tut man nicht bei mangelndem Erfolg! Der Wettbewerb ist ein kultureller Leuchtturm, Kulturpflege auf höchstem Niveau.“

Ja, emotional schmerzt die Geschichte, gerade mit dieser ganz eigenen Abschiedsvariante, sagt Linstädt offen. „Viele gute Gespräche über Musik, gerade auch die heiklen Situationen bei Jurorengesprächen werden im Kopf bleiben und das Glück der jungen Leute, die mit ihrer ganzen Exis­tenz an ihrem  Fach hängen und sich auf dieses Hochseil begeben – davor habe ich Hochachtung, ja Ehrfurcht“, resümiert der Musik- und Theaterwissenschaftler, der oft genug selbst als Musiker auf der Bühne stand.

Verbittert aber ist er, der eine Menge Sachkenntnis  in den Rundfunkrat einbringen wird, sicher nicht: „Ich werde dort nach bestem Wissen und Gewissen handeln – ich kenne das System ja auch von innen. Ein umstrittenes Thema, das sicher wiederkommt, ist der sogenannte ,Frequenzaustausch‘ zwischen Puls und BR-Klassik.“ Vielsagendes Lächeln. „Das bleibt spannend!“

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