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Wasserballett auf der Seebühne. Die Bregenzer Festspiele starten mit Aida. Foto: Bregenzer Festspiele / Karl Forster
Wasserballett auf der Seebühne. Die Bregenzer Festspiele starten mit Aida. Foto: Bregenzer Festspiele / Karl Forster
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«Aida» als Baustelle im Wasser - Bregenzer Festspiele 2009 beginnen mit Verdi-Oper

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Bregenz - Auf der Plattform im Bodensee stehen zwei riesige, blau gestrichene und mit goldenen Sternen übersäte Füße, die nur bis knapp oberhalb des Knöchels reichen. Aus den Stümpfen ragen Stahlträger heraus; neben den Füßen im Wasser erhebt sich ein Armstumpf, der eine Fackel trägt. Hoch über allem schweben die Ausleger zweier im See verankerter Baukräne. Der provisorische Eindruck ist Programm. Das Bühnenbild für die Neuinszenierung von Giuseppe Verdis monumentaler Oper «Aida», mit der am Mittwoch (22. Juni) die Bregenzer Festspiele beginnen, soll während der Aufführung immer wieder neu entstehen: ein echtes «work in progress».

Der britische Regisseur Graham Vick will eine Gesellschaft zeigen, die wieder aufbaut, was andere vor ihr zerstört haben - und das dann vielleicht wieder in Trümmer fällt. Eine - buchstäblich – tragende Rolle spielen dabei die beiden 50 und 60 Meter hohen Baukräne. Sie ziehen riesige Teile einer zerbrochenen Statue, Ähnlichkeiten mit der US-Freiheitsstatue sind durchaus erwünscht, aus dem Wasser und setzen sie über der Bühne kunstvoll zusammen. «Das ist echte Präzisionsarbeit», sagt Bühnenmeister Christian Plank, einer von vier Kranführern, die die stählernen Riesen aus einer Glaskanzel hoch über dem Boden befehligen.

Die Idee, Baukräne in einer musiktheatralischen Inszenierung einzusetzen, ist nicht ganz neu. Beim Richtfest für den Potsdamer Platz in Berlin im Oktober 1996, damals die größte Baustelle Europas, dirigierte Daniel Barenboim zur Musik von Ludwig van Beethovens 9. Symphonie ein «Ballett» von 19 Kränen. Dabei hielt er statt eines Taktstocks zwecks besserer Sichtbarkeit je ein weißes und blaues Fähnchen in den Händen.

In Bregenz müssen sich die Kolosse über der weltgrößten Seebühne im Takt der Musik nicht nur hin und her bewegen, sondern schwere Lasten tragen. Die dicksten Brocken sind die beiden 11 und 5,5 Tonnen schwere Teile einer Gesichtsmaske, die vom Grund des Bodensees nach oben gehievt werden. Das Wasser, das dabei von den schweren Werkstücken tropft, werde im Lichterglanz der Scheinwerfer einen besonderen Effekt hervorrufen, sagt Plank.

Bis zur Premiere trainieren die Kunst-Kranfahrer sechs Wochen lang täglich zweimal die insgesamt acht verschiedenen Kranbewegungen. Jeder der Männer wird am Ende mehr als 1000 Übungsstunden absolviert haben. «Anders als auf einer Baustelle müssen die Kranfahrten bei unserer Inszenierung jeden Abend völlig identisch sein. Alle Abweichungen würden den gewünschten Gang der Opernhandlung stören», berichtet Plank.

Dabei müssen die von Regisseur Graham Vick und seinem Bühnenbildner Paul Brown festgelegten Bühnenpositionen aus bis zu 88 Metern Entfernung fast zentimetergenau angesteuert werden, teils ohne direkte Sicht. Die Kräne transportieren sogar menschliche Fracht: In einem «Cargo-Netz», das man von Hubschraubertransporten kennt, werden Choristen und ein Sänger frei in der Luft schweben.

Noch wichtiger als sonst beim Bregenzer «Spiel auf dem See» ist in dieser Saison die Frage, ob das Wetter mitspielt. Die Kräne sind zwar laut Plank für Windgeschwindigkeiten von bis zu 70 Stundenkilometer ausgelegt, werden aber aus Sicherheitsgründen nur bis zu einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometer gefahren. «Die Masken dürfen nicht zu sehr schwingen, sonst kann es gefährlich werden», erläutert Plank.

Um vor sommerlichen Wärmegewittern auf der Hut zu sein, sind die Techniker der Seebühne immer mit dem Schweizer Wetteramt verbunden, das im Falle des Falles rechtzeitig Alarm schlägt. Dann müsste das Publikum allerdings auf spektakuläre Bilder verzichten, sofern es nicht ohnehin im trockenen Festspielhaus vor Regen und Sturm Zuflucht suchen muss.



 

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