“Eine heiße Party” hatte Ralf Hammacher vom Stadtmanagement Herford dem Publikum zum Abschluss der “Jazztime” versprochen. Dass dieses Versprechen eingelöst wurde, dafür sorgte die schwedische Starposaunist Nils Landgren mit seiner Band “Funk Unit”. Kaum zu glauben, dass diese Formation bereits ihr 10jähriges Jubiläum feiern kann, so temperamentvoll fegten Landgren und seine Musiker über die Bühne des MARTa-Museums.
Und doch gab es einige Wermutstropfen im bunten Nummerncocktail dieses “Stehempfangs” für etwa vierhundert Zuhörer zu schlucken. Zum einen ist die Akustik im Renommierbau Frank O’Gehrys nicht die beste, im langgestreckten Zuschnitt hallig wie ein Kirchenschiff. Schwerer wog noch, dass die basslastige und ohrenbetäubend aufgedrehte Klangabmischung spätestens in den hinteren beiden Dritteln des Raumes alle Differenzierungen schluckte. So blieb von den zweifellos vielschichtigen Rhythmen von Bass (Magnum Coltrane Pnée), keyboard (Sebastian Studnitzky) und Schlagzeug (Robert Ikiz) nurmehr tanzbarer groove übrig. Harte Synkopenschläge gaben der quirligen Funkmusik recht rockigen Charakter, trieben in die Nähe eines Spaß-Events zum Abtanzen - was aber vom Publikum trotz großer Begeisterung kaum genutzt wurde.
Dabei ist mit Landgren einer der vielseitigsten und wandlungsfähigsten Musiker der europäischen Jazz-Szene zu erleben. Hier zeigte er, der als Balladensänger zu berühren weiß oder in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern oder Genres seine Experimentierfreude entfaltet, ein völlig anderes Gesicht, ein unkompliziertes, äußerst vitales und mitreißendes. Dass er ein hochvirtuoser und einfallsreicher Posaunist ist, steht außer Frage, als intensiver Sänger und routinierter Conferencier heizt er ebenso dem Publikum wie den eigenen Musikern ein. Die können ebenfalls ungeheuer viel, was schließlich ausladenderen, freieren Soli zu entnehmen ist. Mit Studnitzki, der sich plötzlich auch als talentierter Trompeter entpuppt, geht Landgren plastische, weit im Raum schwingende Dialoge ein; auch Andy Pfeiler (Gitarre) und Jonas Wall (Saxophon) beweisen sich mit ausladenden, free jazz-Dimensionen streifenden Solopassagen. Überhaupt ist Verdienst des Bandleaders, dass er, obwohl unüberhörbarer Magnet der Gruppe, die Fähigkeiten seiner Kollegen herauskitzelt und ihre Konkurrenz nicht scheut - sie belebt spürbar das musikalische Geschehen. Das gilt auch für den Gesang - Magnum Coltrane Pnée ist Landgren charismatischem, soft-souligem Idiom dicht auf den Fersen. Aus der zwar fetzigen, doch in ihrem Zuschnitt etwas gleichförmigen (wenig Tonarten- und Tempowechsel!) Nummernfolge hebt sich Esbjörn Svenssons “Fivethousand Miles” mit der typischen Melodiestruktur großer Intervalle hervor; ein bewegender Moment, wenn Landgren den tragisch ums Leben gekommenen Freund an einem imaginären Ort begrüßt. Auch seine eigenen Kompositionen “Traci” und “Aint Nobody” gewinnen klares. melodisch-harmonisches Profil. Und wenn zum Schluss der ganze Saal unter Landgrens unnachgiebig-charmanter Animation singt - bemerkenswerte Herforder Stimmtalente outen sich da - “All you need is Funk”, dann ist doch die Funk-Welt in Ordnung, oder?
Die große Virtuosität und Spielfreude lassen schließlich über die Mängelder Rahmenbedingungen hinweghören - nach dem eher puristischen Rebekka-Bakken-Trio, der Klassik integrierenden Gruppe “Quintessenz” und dem in experimentelle Gefilde vorstoßenden Quartett “Yellowjackets” waren Landgren und seine Funkateers dann doch ein willkommen leichter Ausklang. Ein Gospelgottesdienst und die berühmte Kneipenralley durch zwölf einschlägige Herforder Lokalitäten trugen auch diesmal zum Erfolg der Herforder Jazztime bei, die weiterhin ihren Platz in der ostwestfälischen Jazzstrecke Minden-Vlotho behauptet.