Der Abend endete mit einem hübschen Regieeinfall der erstmals in ihrer Münchner Heimat inszenierenden Brigitte Fassbaender: Gleich zu Beginn schwebt ein Amor im leeren Bühnenraum; Norina hat statt Puppe eben diesen Amor im Bett; später fliegt er auch mal hinten durch die Szene – und kehrt nach dem letzten Orchesterton wieder: Pasquale liegt beruhigt im Bett; Amor schwebt herein – und Pasquale brüllt ein finales „No!“ – jubelnder Beifall.
Doch die Einschränkung zuvor: Der neue musikalische Chef des durch die Münchner Spielstätten vagabundierenden Gärtnerplatztheaters gab seinen Einstand. Da wollte Marco Comin natürlich zeigen, dass ihm Donizettis Musik nicht nur im venezianischen Blut liegt, sondern dass sie sprudelnd lebendige, spritzige und pfiffige Komödienmusik ist – eben kein „Rossini für Arme“. Prompt tat Comin des Guten zuviel: seinen mehrfach sehr schnellen Tempi konnten mal das Orchester, mal die Solisten und Chor nicht folgen.
Mag das noch einer höchst verständlichen Debüt- und Premieren-Überanspannung geschuldet sein, die durchgängige Überlautstärke aber war einfach ein Fehler. Comin konnte im intimen Cuvilliéstheater proben. Seine musikalischen Assistenten hätten warnen müssen. So wurde es ein Abend von Mezzaforte bis Fortissimo. Nicht einmal die berühmte Serenade des jungen Liebhabers Ernesto „Wie lieblich ist die Nacht mitten im April“ besaß einen Hauch von Piano-Intimität. Ein Abend des „Alles was du kannst, kann ich lauter“.
Dabei waren alle Stimmen hörenswert. Franz Hawlata vereinte komödiantisches Bühnenblut mit einem vielfarbigen Bassbariton, um die trotzig gegen den Neffen Ernesto gerichtete und dann schnell bereute Heirat des gemütlichen, alten Junggesellen Pasquale zum buffonesken Zentrum des Abends zu machen. Mathias Hausmann zog als fescher Zahnarzt Dr. Malatesta weniger Zähne als Fäden der Intrige, um seine verwitwete Schwester Norina doch mit Ernesto zusammen zu bringen – und das mit markanten Basstönen. Bogdan Mihai kann als Glücksgriff für den Ernesto gelten: ein schlanker, überzeugend jugendlich bedingungslos Liebender mit einem klassischen Belcanto-Tenorino – fein, süß, agil, blitzsauber. Und vor Anja-Nina Bahrmanns Norina müssen sich alle Mannsbilder in Acht nehmen: sie kam bildhübsch mit aller weiblichen Anmut als verkleidete „Sofronia“ daher, sang reizvolle Töne – und wirbelte ebenso überzeugend im Hosenanzug als luxusorientierte Emanzipierte den gesamten Haushalt und den Hausherren Pasquale durcheinander. Nicht genug: am Ende umarmte sie zwar ihren Ernesto liebevoll – um ihm dann aber die Hausschürze umzubinden…
Damit ist schon einiges über die erste Münchner Regie-Arbeit Brigitte Fassbaenders gesagt. Im nachtblauen Raumgeviert von Ausstatterin Bettina Munzer fuhr mal die Rückwand hoch, mal öffneten sich seitliche Türen und Durchgänge. Da wurden dann zur Ortsergänzung auf Bändern im Boden mal ein Zahnarztstuhl, mal Stuhl und Tisch, dann Berge von Einkaufskartons oder stilisierte Zierbüsche hereingeschoben und weggezogen. Die zeitlos gültige Lachnummer „Alter Mann greift bei Heirat mit junger Frau daneben“ funktionierte darin auch in zeitlos bürgerlichen Kostümen. Fassbaender spulte die Komödienhandlung durchweg einsichtig und sängerfreundlich ab.
Warum Malatesta aber dauernd inzestuös an Schwester Norina herumfingert, wurde nicht verständlich. Auch der am Ende mit Engelsflügelchen und Lorbeerkränzen ausgestattete Chor blieb Dekoration. Denn die Verbindung zum zentralen hübschen Einfall Fassbaenders mit Amor stellte sich nicht her, ansonsten aber ein amüsanter Opera-buffa-Abend.