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Wolfsschlucht im Burghof: Webers „Freischütz“ bei den Festspielen Schloss Glatt. Foto: Elko Baumgarten
Wolfsschlucht im Burghof: Webers „Freischütz“ bei den Festspielen Schloss Glatt. Foto: Elko Baumgarten
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An authentischem Ort - die Opernfestspiele Schloss Glatt mit Webers „Freischütz“

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Selbst in Baden-Württemberg wissen nur wenige, wo Glatt liegt. Um es großzügig zu beantworten: Etwa auf halber Strecke zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Bodensee. Auch als Kulturträger hat sich dieser kleine Flecken unweit des Neckars bislang nicht profiliert. Aber das ist jetzt anders geworden.

Glatt hat nämlich ein wunderbares Renaissance-Wasserschloss. Und dergleichen ist nun mal, wie man mittlerweile weiß, vor keinem Festspielsommer sicher. Flugs hat sich die Musikhochschule Trossingen, mit wohltätiger Unterstützung des Landkreises, des Regisseurs Niels-Peter Rudolph versichert und im Innenhof des Wasserschlosses die Romantischste aller Opern, nämlich Carl Maria von Webers „Freischütz“ in Szene gesetzt.

Wer zur Premiere mit einer guten Portion Skepsis ob dieses Unterfangens angereist war, wurde alsbald eines Besseren belehrt. Welch singuläre Voraussetzungen bietet der Burghof, welch eine unvergleichlich atmosphärische Dichte vermag er zu vermitteln! Stellvertretend sei die Wolfsschlucht-Szene erwähnt: Mit Fackeln bewehrt umkreisen da Geister, in langen weißen Gewändern, den in einem Erdloch halb verborgenen Kaspar. Mystische Nebel steigen auf, alles ist in ein magisch-schemenhaftes silberweißes Licht getaucht. Von Ferne, aus der Finsternis des anliegenden Parks, nahen weitere Gestalten. Von der Regie nicht georderte Mauersegler überfliegen die Bühne mit diffus-schrillen Schreien. Fremdes und Vertrautes, Realität und Fiktion, so scheint es, lösen sich zunehmend auf.

Es war nicht der einzige Kunstgriff des Regisseurs Niels-Peter Rudolphs, die gesamte Burganlage in die Handlung zu integrieren. Die Romantik Webers mutiert bei ihm unversehens zur  Fantasy-Welt Harry Potters, in der weitgehend verborgen bleibt, wo die rechte Moral verborgen ist. Seien es nun die Geister oder aber die bewusst identisch gewandeten Max und Kaspar – das Gute und das Böse, so die Botschaft, liegt beklemmend dicht beieinander.

Aufführungstechnisch war gewissermaßen alles auf schwäbisch durchkonjugiert. Als Jägerchor besetzen um die 70 stattliche Sänger des Sängergaus Schwarzwald die Bühne, und als Brautjungfern firmieren Knabensolisten der Aurelius-Sängerknaben Calw. Der Löwenanteil dieser Aufführung wurde mithin von regionalen Kräften gestemmt, und an dieser Stelle muss in vorderster Linie die Musikhochschule Trossingen genannt werden. Dem Orchester der Musikhochschule entlockte Dirigent Manfred Schreier warme, weich abgetönte Klänge, und wenn es sein musste, war man auch mit der nötigen Attacke zur Stelle. Auf hohem Niveau hier der Streicherapparat und Holzbläser sowie (nach gewissen Anlaufschwierigkeiten) auch die in dieser Oper so bedeutsame Blechbläsergruppe. Ohne jeden Makel die Gesangssolisten. Zu bewundern gab es da die gepflegten, nahezu engelsgleichen Stimmen von Nohad Becker (Ännchen) und Hyang Jung Kim (als leider nicht immer verständliche Agathe), schließlich der sonore Duktus Wilhelm Schwinghammers (Kaspar)  sowie der geschmeidige Tenor des noch jungen Michael Pflumm als Max.

Es gibt jenseits von Trossingen wohl kaum ein weiteres Beispiel in der Republik, wo eine Musikhochschule ihrer Verantwortung für den Anspruch einer ganzen Region auf Hochkultur derart gerecht wird. Die Freischütz-Aufführungen in Glatt stellen gewissermaßen ein Muster dafür dar, wie dieser Anspruch eingelöst werden kann. Man möchte diesem so eindrücklich begonnenen Unternehmen, für deren Intendanz Rektorin Elisabeth Gutjahr Verantwortung zeichnete, weitere Initiativen wünschen.

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