Berlin - Bevor der Opernregisseur Sebastian Baumgarten im kommenden Sommer sein Debüt mit Richard Wagners «Tannhäuser» bei den Bayreuther Festspielen geben wird, steht bei ihm jetzt zunächst noch eine Operette auf dem Spielplan. Am Sonntag (28. November) feiert Ralph Benatzkys «Im Weißen Rößl» an der Komischen Oper Berlin Premiere.
Mit dem 41-Jährigen, dessen Großvater langjähriger Intendant der Staatsoper Unter den Linden war und der nach dem Opernregiestudium bei Ruth Berghaus, Einar Schleef und Robert Wilson assistierte, sprach dapd-Korrespondentin Angelika Rausch in Berlin.
dapd: Herr Baumgarten, Sie machen sich rar auf der Opernbühne. Was steckt dahinter?
Baumgarten: Ich habe einen Plan, den ich mir immer selbst schreibe: Ich mache ein Mal im Jahr eine Opernproduktion. Ich halte mich da bewusst etwas zurück und arbeite auch für Schauspielbühnen. An der Oper herrscht immer Zeit- und inzwischen auch Geldnot. Der Umgang mit der Probenzeit ist am Theater deutlich freier. In Bayreuth zum Beispiel habe ich drei Wochen szenische Probenzeit für «Tannhäuser», das reicht meiner Meinung nach nicht. Das macht die Arbeit des Opernregisseurs zum reinen Organisationsjob. Man muss musikalisch sein, aber man muss noch nicht mal Noten lesen können.
dapd: Und trotzdem werden Sie nach Bayreuth gehen und dort inszenieren?
Baumgarten: Man macht es dann trotzdem, weil Bayreuth noch eine ganz spezielle Situation ist: Man arbeitet ja über vier Jahre immer wieder an dem Stück.
dapd: Was macht eine Schauspiel-Regie so anders?
Baumgarten: In der Opern-Regie ist die Zeit festgelegt, im Schauspiel baut man den Text so um, wie man ihn haben will und erfindet damit erst den Rhythmus, das Timing des Abends. An den großen Opernhäusern gibt es zudem für meinen Geschmack viel zu viel Starbetrieb. Hier an der Komischen Oper ist die Situation aber tatsächlich eine andere. Hier gibt es mehr Freiraum, auch wenn durchaus mal zeitliche Probleme gibt.
dapd: Warum nun eine Operette? War das Ihre Idee?
Baumgarten: Die Komische Oper hatte sie mir angeboten. Ich bin im Moment extrem glücklich mit diesen schnellen, komischen Stoffen. So werde ich anschließend in Zürich eine Komödie inszenieren. Ich bin ja ein absoluter Gegner dieser modernen Reduktion vor allem im Sprechtheater. Opulenz ist, was mich interessiert.
dapd: Hat die Operette nicht generell ein großes Imageproblem? Sie gilt als kitschig und altbacken.
Baumgarten: Das Problem sind eher die Inszenierungen. Entweder wird versucht, sämtliche Probleme der Welt mit reinzubauen und das Stück auseinander zu nehmen. Oder es wird zu solide, zu langsam und zu schwerfällig inszeniert. Operette hat offenbar immer etwas Kleinbürgerliches und man bekommt oftmals die Anarchie nicht mit, die sie mal hatte, und auch die Opulenz fehlt meistens. Dabei war die Operette mal ein großer anarchistischer Gegenentwuf zur Oper, aber heute wirkt sie meistens biederer. Diese Operette hier ist das schwerste, was ich bisher gemacht habe, auch physisch. Sie verlangt ein dauerhaftes Extremtempo.
dapd: «Im Weißen Rößl» wurde 1930 in Berlin uraufgeführt. Gibt es darüber noch Aufzeichnungen?
Baumgarten: Erik Charell, der das in Berlin und auch in New York aufgeführt hat, hatte einen Chor von 110 Leuten auf der Bühne, ein Orchester, eine Dampferkapelle, ein Zitter-Trio, eine Jazz-Kapelle und eine Feuerwehr-Kapelle. Das war wie eine große Revue.
dapd: Wie wird Ihre Inszenierung aussehen?
Baumgarten: Ich mache etwas, was ich sonst nie mache: Ich entferne mich nicht vom Text, bleibe komplett dran und versuche alles zu machen, was im Stück steht. Eine große Herausforderung! Ich finde, dass ein «poltischer Blick» auf die Operette so aufgebraucht ist. Vor ein paar Jahren hat das noch gut funktioniert, aber die Zeiten ändern sich wirklich schnell.
dapd: Erzählt dieser Operette eigentlich etwas von ihrer Entstehungszeit?
Baumgarten: Ja, vor allem die Musik. Charell war damals Weltreisender in Sachen Kultur und hat immer die neuesten Trends mit nach Berlin gebracht. So auch den Jazz, der dann plötzlich im Salzkammergut eine Rolle spielt. Er hat es einfach eingebaut in die Geschichte.
dapd: Was erwartet den Zuschauer nun in Ihrer Inszenierung?
Baumgarten: Das Stück wurde damals von Schauspielern gemacht, darum werden wir das auch so inszenieren. Daneben gibt es drei Sänger. Die Schauspieler können natürlich auch sehr gut singen, so zum Beispiel Dagmar Manzel, die in der Hauptrolle zu erleben ist. Ansonsten erwartet den Zuschauer der Versuch, eine wirklich opulente Operette auf die Bühne zu stellen. Es gibt keine Brüche, Bühnenbild und Kostüme passen zusammen.
dapd: Das klingt ja fast wie ein Programm des Berliner Friedrichstadtpalastes...
Baumgarten: Von meiner Seite eine Bewerbung für den Friedrichstadtpalast! Die stilistischen Mittel im Theater, sich politisch zu äußern, sind sehr verbraucht und nicht mehr scharf. Ich mache jetzt das, wozu ich auch aus dem Bauch heraus Lust habe. Es geht um eine Gesamtästhetik, auch in Bayreuth wird es darum gehen. Auch da interessiert es mich, über eine eigenständige Sprache der Bilder zu gehen.