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Bayerischer Rundfunk von innen. Foto: Hufner
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Broadcast oder Broadband? – Studie des Bayerischen Rundfunks zur Zukunft der terrestrischen Radioversorgung

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Es geht um die Zukunft des Rundfunks beim Bayerischen Rundfunk. UKW, DAB+ oder LTE. UKW hat man allerdings schon abgeschrieben. Die Frage ist, welcher Weg des Sendens und Empfangens wird die nächste Zeit bringen. Wer sich dunkel erinnert, es gab einmal das Digitale Satelliten-Radio (DSR), das in höchster Qualität (CD) Rundfunk in die gute Stube brachte (entweder über Satellit oder Kabel). Aber es wurde fallen gelassen, die Akzeptanz war den Machern zu klein. Die neue Studie des Bayerischen Rundfunks geben wir im Wortlaut im Kernbereich zur Kenntnis.

Die Studie in Auszügen:


Broadcast oder Broadband? – Zur Zukunft der terrestrischen Radioversorgung

Zu seinem 90. Geburtstag erfreut sich der Hörfunk in Bayern größter Beliebtheit. Mit einer leichten Zunahme der täglichen Hördauer auf 215 Minuten kann sich Radio als ältestes elektronisches Medium auch im Jahr 2014 erfolgreich gegen die Konkurrenz aus Internet und Fernsehen behaupten. Selbst das junge Publikum schätzt den Hörfunk als schnelles und zuverlässiges Medium, das jederzeit und überall verfügbar ist.

Doch die analoge Ausstrahlung über UKW ist in die Jahre gekommen. Wie auch beim Fernsehen sind neue Angebote und attraktive Zusatzdienste zu bestehenden Programmen nur mit digitaler Technik möglich. Öffentlich-rechtliche wie private Rundfunkanbieter stehen daher vor der gemeinsamen Herausforderung, den bevorstehenden Medienumbruch erfolgreich zu meistern.

Zur Sicherung eines zukunftsfähigen Hörfunks lautet daher die Grundsatzfrage: Welche digitale Technologie ist am besten geeignet, die Bürgerinnen und Bürger in allen Teilen des Freistaats auch in Zukunft mit einer größtmöglichen Vielzahl an Hörfunkprogrammen zu versorgen? Dabei gilt es, eine künftige Digitalradio-Infrastruktur im internationalen Kontext möglichst konkret und nachvollziehbar auf Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Umsetzbarkeit zu prüfen.

Vom schwedischen Sendernetzbetreiber Teracom wurde hierzu im November 2013 eine Studie zum Kostenvergleich zwischen terrestrischem Broadcast (DAB+) und terrestrischem Broadband (LTE) als Beratungsgrundlage für die Politik vorgestellt. Mit der vorliegenden Studie soll diese grundsätzliche, technisch-wirtschaftliche Fragestellung auch für die künftige Hörfunkversorgung in Bayern beantwortet werden.

Im Ergebnis liefert die Studie, die von BLM und BR gemeinsam am Lehrstuhl für Controlling an der TUM School of Management in Auftrag gegeben wurde, wertvolle Antworten zur übergeordneten Frage terrestrische Radioversorgung per Broadcast oder Broadband.

Gutachtenauftrag

Im Dezember 2013 wurde ich von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und dem Bayerischen Rundfunk beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, das einen Kostenvergleich der terrestrischen Radioübertragung in Bayern über die beiden Übertragungsstandards DAB+ (Digital Audio Broadcasting) und LTE (Long Term Evolution) vornimmt. Anlass für die Überlegungen war eine im Oktober 2013 vorgestellte Studie des schwedischen Sendenetzbetreibers Teracom und der Beratungsfirma a-focus, die sich mit der Tauglichkeit des mobilen Internets als Substitution für die gegenwärtige terrestrische UKW-Radioverbreitung (Ultrakurzwelle) in Schweden befasst.2

In diesem Gutachten wird das derzeitige Radiokonsumverhalten in Bayern dargestellt, die Standards hinsichtlich ihrer technologischen und regulatorischen Eignung zur Radioübertragung verglichen und anschließend eine Analyse der Übertragungskosten durchgeführt.

Der für UKW-Radio verwendete Frequenzbereich von 87,5 MHz bis 108 MHz ist begrenzt, was zu einer sehr limitierten Anzahl von möglichen Programmen führt. Neben weiteren Aspekten, wie der niedrigeren Klangqualität und der kaum vorhandenen Möglichkeit, Zusatzinformationen3 über den UKW-Funk zu verbreiten, ist die beschränkte Anzahl von Programmen der Haupttreiber, warum Regierungsbehörden, Landesmedienanstalten und Hörfunkanbieter überwiegend darin übereinstimmen, dass eine neue und leistungsfähigere Infrastruktur zur terrestrischen Radioübertragung notwendig ist. Vor diesem Hintergrund wird betrachtet, welche ökonomisch sinnvollen Möglichkeiten es gibt, den derzeit vorherrschende Rundfunkstandard UKW abzulösen.

Für den Ersatz des UKW-Rundfunks stehen grundsätzlich die Radioübertragung über den DAB+ und den LTE-Standard zur Verfügung. Der DAB+-Standard wurde von 1987 bis 2000 im Rahmen des Eureka-147-Projekts entwickelt und in 2011 zu DAB+ mit noch effizienteren Kanalkodierungen weiterentwickelt. Mit dem Aufbau der DAB/DAB+-Infrastruktur wurde in Bayern bereits 1995 begonnen. Zunächst wurde dieser Standard kaum angenommen, da nur vereinzelte Programme in den neuen Standard migrierten. Die Anschaffung neuer Empfangsgeräte für DAB+-Radio lief nur sehr langsam an. Daher lohnte sich der Wechsel zum neuen Standard für die meisten Radioprogramme nicht. Obwohl die Ausstrahlung eines Programms über DAB+ wesentlich günstiger als über UKW ist, müsste zunächst ein Parallelbetrieb stattfinden, bis die Mehrheit der Radiohörer auf DAB+-kompatible Geräte aufgerüstet hat. Das würde eine große finanzielle Belastung für die Programmbetreiber darstellen. Aufgrund der negativen Erfahrungen bei der Durchsetzung von DAB+ und der kontinuierlich wachsenden Anzahl von Webradionutzern wird immer häufiger die Möglichkeit der Radioübertragung über das stationäre und mobile Internet als Alternative zu DAB+ in Erwägung gezogen. Insbesondere der LTE-Standard könnte die nötigen Kapazitäten zur mobilen Radioübertragung bereitstellen.

Ein wesentlicher Faktor für die Entscheidung über den Verbreitungsweg von Radioprogrammen sind die dafür anfallenden Übertragungskosten. Das Ziel dieses Gutachtens ist es, die Übertragungskosten für mobil gehörtes Radio über DAB+ und mobiles Internet – sowohl im LTE-Unicast als auch in eMBMS (evolved Multimedia Broadcast Multicast Service) – abzuschätzen.

Zusammenfassung des Gutachtens

1. Situation des Hörfunks in Bayern

In Bayern wird das derzeitige jährliche Volumen von ca. 795 Mrd. Radiohörerminuten fast ausschließlich über UKW bedient. Während ein Anteil von ca. 75% dieses Volumens stationäre Geräte betrifft und im Fall des Verzichts auf terrestrischen Rundfunk über den häuslichen Internetempfang versorgt werden könnte, müsste der Anteil an mobilem Radioempfang von ca. 25% über den Mobilfunk (LTE) abgewickelt werden. Im Fall von DAB+ könnte das gesamte Radiovolumen über den terrestrischen Rundfunk abgebildet werden.

2. Die Eignung von DAB+ und LTE für die zukünftige Radioübertragung

Die Eignung von DAB+ und LTE zur Radioübertragung in Bayern wird in Kapitel 2 untersucht. Es wird sowohl auf die technischen als auch auf die regulatorischen Voraussetzungen des Rundfunks eingegangen. Es zeigt sich, dass der DAB+-Standard für die künftige Radioübertragung unverzichtbar ist. Insbesondere die bei DAB+ nicht anfallenden Nutzungskosten und die Einbettung der DAB+- Infrastruktur in ein europaweites Umfeld sprechen für eine Fortsetzung des derzeitigen DAB+-Ausbaus. Die Bedeutung des mobilen Webradios wird ebenfalls steigen, kann jedoch auf absehbare Zeit DAB+ nicht ersetzen.

3. Kostenvergleich der Bereitstellung von Radioübertragung über mobiles Internet (LTE oder eMBMS) und DAB+

Bei einem Verzicht auf den weiteren DAB+-Ausbau müssten zur Versorgung des mobilen Empfangs etwa 25% des gesendeten Radiovolumens über den Mobilfunk abgewickelt werden. Dies entspricht in Bayern einer enormen jährlichen Datenmenge von 133.231 TB. Eine Radioübertragung über mobiles Internet wäre daher nur mit einem starken Ausbau der Sendeinfrastruktur möglich. Würde diese Datenmenge bei aktuellen Preisen für mobiles Internet über LTE übertragen werden, so würden jährliche Kosten von 616,7 Mio. EUR entstehen. Ginge man im Fall der Übertragung über eMBMS von

24 übertragenen Programmen aus, so würden jährliche Kosten von 552,4 Mio. EUR anfallen. Kalkuliert man für die DAB+-Infrastruktur mit 24 übertragenen Programmen, so würden sich nach einem starken Ausbau der Infrastruktur lediglich jährliche Kosten von 15,5 Mio. EUR ergeben. Im Falle von 36 landesweiten und 12 lokalen Programmen würden die jährlichen Kosten 24,6 Mio. EUR betragen. Damit ergibt sich ein klarer Kostenvorteil für DAB+. Die Kosten bei einer Übertragung über LTE liegen um etwa 40 Mal höher als die Kosten bei einer Übertragung über DAB+.

4. Zusammenfassende Beurteilung

Ergebnis des Gutachtens ist, dass der weitere Ausbau der DAB+-Infrastruktur der richtige Weg ist, um eine zukunftsfähige Radioübertragung zu gewährleisten. Auch wenn die Dominanz der terrestrischen Broadcasting-Ausstrahlung durch die zunehmende Verbreitung an internetfähigen Endgeräten und die Internetanbindung von Automobilen in Zukunft abnehmen wird, ist der Ausbau der DAB+-Infrastruktur notwendig, um die grundlegenden Aufgaben des Rundfunks weiterhin zuverlässig und kostengünstig erfüllen zu können.

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