Genau zwei Jahrzehnte ist es nun her, dass in München erstmals das Adevantgarde Festival über die Bühne ging. Und nach wie vor bemühen sich die beiden künstlerischen Leiter Moritz Eggert und Markus Schmitt darum zeitgenössischen Komponisten eine Plattform für ihre Musik zu bieten. Der laufenden Jubiläumssaison hat man nun das Motto „Spielend“ vorangestellt. Denn das Spiel hat den Menschen schon immer begleitet, sei es nun als fröhliche Unterhaltung oder als erbitterter Wettkampf.
Zwei Extreme, zwischen denen bereits der Eröffnungsabend pendelte, für den man die Musiker des kanadischen Aventa Ensembles in den Gasteig geladen hatte. Sie präsentierten dem Publikum einen ebenso kurzweiligen wie abwechslungsreichen Querschnitt durch die jüngste Komponistengeneration ihres Landes. Und was es dort zu entdecken gab, reichte von Paul Frehners jazzig aufgekratztem „God Save the Human Cannonball“ bis hin zu den esoterisch dahinströmenden „Dark Matters“ aus der Feder von Jeffrey Ryan, die beide an diesem Abend ihre Uraufführung erlebten.
Kollege Michel Gonneville wagte bei seinem Beitrag sogar noch einmal einen unverklärten Blick in die Vergangenheit und griff für „Browsing Agon“ auf Motive aus dem gleichnamigen Strawinsky-Ballett zurück, die in individuell auf die Musiker zugeschnittenen Variationen vom ihm neu verpackt und weiterentwickelt wurden.
Zu einem Wettkampf der etwas anderen Art entwickelte sich der Abend
„Brot und Spiele“ für den sich drei Nachwuchskomponisten aus unseren Breiten jeweils in Form einer Kurzoper mit dem Festivalmotto beschäftigt hatten. Wobei die Ergebnisse gar nicht so unterschiedlich ausfielen, wie man es zunächst vielleicht hätte erwarten können. Denn gleich zwei von ihnen hatten sich durch das „panem et circenses“-Zitat zu einer bissigen politischen Satire inspirieren lassen. So zeigte Verena Marisa Schmidt beim „Volksentscheid am Nockerlberg“ ein fiktives TV-Duell, dessen Teilnehmer sich beide auf der Gehaltsliste eines amerikanischen Großkonzerns finden. Jegliche Ähnlichkeiten mit aktuellen Geschehnissen natürlich rein zufällig. Voll beabsichtigt dagegen der Stilmix in der Partitur, die rezitativische Passagen mit traditionellen Cembalo-Klängen untermalt aber auch vor schrillen Dissonanzen nicht zurückschreckt.
Noch weiter treibt es Manuela Kerer, die in „tickende polli“ persönliche Erfahrungen vom Besuch einer italienischen Parlamentssitzung verarbeitet und ihre dadaistisch angehauchten Figuren dabei nicht nur in den höchsten Tonlagen sinnfreie Phrasen und Schlagwörter in den Raum werfen lässt, sondern das Ausdrucksspektrum gleich noch um Niesen, Zischen, Schmatzen und Fingerschnipsen erweitert.
Vertrauter sind da schon die Stilmittel, die Stefan Johannes Hanke bei seinem phonstarken aber letztlich etwas eintönig geratenen Ehedrama „all in“ zum Einsatz bringt. Doch wenn diese beiden Abende eines gezeigt haben, dann, dass man wohl nicht in die Zukunft blicken kann, ohne zuvor seine Vergangenheit genau zu kennen.
Das Festival läuft noch bis 1. Juli. Programm unter: www.adevantgarde.de