Gegenteile bestimmen sich wechselseitig. Neues setzt sich von Altem ab. Das eine ist nicht denkbar ohne das andere. Wer neu sagt, muss auch alt sagen, und umgekehrt. Der Begriff der „neuen“ gar „Neuen Musik“, suggeriert die Möglichkeit einer solch klaren Grenzziehung. Indes wurden kategorische Alt-Neu-Zuschreibungen nicht erst seit Theodor W. Adornos SDR-Radiovortrag „Das Altern der neuen Musik“ 1954 und Heinz-Klaus Metzgers Replique „Das Altern der Philosophie der neuen Musik“ 1957 fraglich. Schon immer sagten ästhetische Distanzierungen von Bestehendem zumeist mehr über die Selbstlegitimierungsstrategie der Komponisten als über das tatsächlich Neue ihrer Musik. Nach dem Ende der historischen Avantgardebewegungen spitzte die Postmoderne die Situation zu: Was ist alt, wenn es kein neu mehr gibt?
Wo ist beispielsweise jemand wie Albrecht Zummach zu verorten, der nach „Alte Welt“ und „Alte Lieder“ sein neu-altes Werktriptychon mit einem Horntrio „Alte Rechnungen“ vollendet, das irgendwie in g-Moll steht und am 9. November im Rahmen eines Konzerts anlässlich des 50. Geburtstags des Komponisten ausgerechnet im „Alten Pfandhaus“, einer neuen Kölner Spielstätte, zur Uraufführung gelangt? Neue Werke mit gattungsspezifischen Besetzungen und Titeln werden unweigerlich an alten Vorbildern gemessen. Das gilt auch für Friedrich Cerhas „Berceuse céleste“ für Orchester, die Eliahu Inbal am 15. November erstmals in der Stuttgarter Liederhalle dirigiert, und Miroslav Srnkas „Les Adieux“ für Ensemble, das am 28. November in der Alten Oper Frankfurt erstmals unter Leitung von Matthias Pintscher erklingt. Manuel Hidalgo schließlich setzt mit der Uraufführung der Orchestrierung von Bachs „Die Kunst der Fuge“ am 17. November in Porto seine lange Werkliste von Bearbeitungen alter Musik fort.
Die Tradition des Klavierkonzerts beschwören neue Werke für Klavier und Orchester von Beat Furrer und Georg Friedrich Haas. Das eine spielt Nicolas Hodges am 1. November im Rahmen des WDR-Wochenendes „Musik der Zeit“ in der Kölner Philharmonie, wo bis zum 3. November weitere Werke zur Uraufführung gelangen von Michael Jarrell, Iris ter Schiphorst, Robert HP Platz, Philipp Maintz, Klaus Huber und Wolfgang Rihm. Haas‘ neues Werk spielt Thomas Larcher am 7. November im Wiener Musikverein im Rahmen des Festivals Wien Modern, das sich neben Haas einem Porträt von Luciano Berio widmet, der wiederholt Renaissance und Folksongs adaptiert, zitiert und klassisch-romantische Musik bearbeitet hat. Bis zum 1. Dezember sind hier weitere Uraufführungen zu erleben von Frank Scheffer, Nader Mashayekhi, Jennifer Walshe, Christopher Fox, Claudia Molitor, Benedikt Schiefer, René Staar, Alexander Stankovski, Roland Pfrengle, Pierluigi Billone, Beat Furrer und Klaus Lang.
Weitere Uraufführungen:
1.11.: Nicolaus A. Huber, EN für Viola solo, Viola-Tagung Münster.
4.11.: 10 Jahre Frau Musica (nova) mit Werken und Performances von J. Dunaway, S. Jernberg, L. Grenager, H. Hartmann und J. Walshe, DLF Köln.
4.11.: Helmut Oehring, Phoenix Musik für Ensemble, Gare du Nord Basel.
4.11.: Wolfgang Rihm, Quid est Deus für Chor und Orchester, KH Freiburg.
7.11.: Neue Werke für Violoncello von Nicolaus A. Huber, Sven-Ingo Koch, Johannes Schöllhorn, Marcelo Toledo, Param Vir, Caspar Johannes Walter, Musikhochschule Stuttgart.
7.11.: Christian Jost, Odyssee für Klarinette und Orchester, Berliner Philharmonie.
9.11.: Alvis Hermanis und Monika Pormale, Musiktheater The Sound of Silence, Haus der Berliner Festspiele.
16.11.: Thomas Heyde, Schwarzfahrer-Marsch, Leipziger Straßenbahn.
24.11.: Johannes Schöllhorn, Timo Ruttkamp, Alexander Karastoyanova-Hermentin, Georg Kröll, neue Ensemblewerke, WDR Köln.
30.11.: Vadim Karassikov, Prana, Quintett für drei Stimmen, Viola und Cello, Berlin.