Sicher, eine „Informationsveranstaltung“ war es auch. Vor allem aber eine Manifestation. Denkwürdig, einzigartig in der Geschichte des Duisburger Theaters. Ein Zeichen. Eines, das so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird. Eines, das die Uhren (so schien es) künftig anders gehen lässt.
So wie das Haus nach dem Krieg von den Duisburger Bürgern buchstäblich aus Ruinen wiederaufgebaut worden ist, so waren es an diesem Abend deren Nachfahren, die die Geschicke ihres Theaters noch einmal in die eigenen Hände zu nehmen entschlossen waren. Nur, dass in diesem Fall die Bedrohung nicht aus der Luft, wenn auch aus heiterem Himmel und (das Schlimmste) aus den eigenen Reihen kam und kommt. Ausgerechnet der Verwaltungsvorstand der Stadt hatte dem Rat für seine nächste Sitzung am 25. Juni empfohlen, den seit 1956 bestehenden Theater-Kooperationsvertrag mit Düsseldorf aufzukündigen und den Duisburger Zuschuss an das Zwei-Städte-Theater einzustellen. Eine „Empfehlung“, von der während der Veranstaltung niemand so recht zu sagen wusste, was darin größer ist: die Hilflosigkeit oder die Blind- und Vernageltheit. Ausgelöst hat sie in jedem Fall einen Sturm der Empörung. Binnen Wochen waren es mehr als 35.000 Theaterfreunde, die sich mit der online gestellten Petition und damit für den Fortbestand der Theaterehe solidarisch erklärten.
Kultur ist Seele
Umgekehrt hatte die verwaltungsvorständliche Fraktion der Unvernunft ihre Chance auf bessere, auf höhere Einsicht vertan. Man glänzte durch Abwesenheit. Sicher, die scheuklappentragenden Theater-Totengräber hätten hier gewiss keinen leichten Stand gehabt. Noch Kulturdezernent Karl Janssen musste sich aus dem Publikum wüste Beschimpfungen anhören. Irgendwie wollte man ihm sein flammendes Bekenntnis für die Theaterehe („Kultur ist Seele einer Stadt“), sein Eintreten für eine Verdoppelung des Kulturetats nicht so recht abnehmen. Glaubwürdiger, sachdienlicher vor allem, erschienen da schon Werner Lohmann vom Landesmusikrat NRW sowie die ebenfalls auf dem Podium sitzenden Wirtschafts- und Wissenschafts-Vertreter Dieter Vogel (früher Thyssen) und Ulrich Radtke von der Universität Duisburg-Essen. Kurz und knapp war aus berufenem Munde zu erfahren: Die der überschuldeten Kommune abverlangten Kürzungen am Kulturetat – im Endeffekt Bewegungen hinter dem Komma des Gesamtetats. Tenor: Wenn er denn nur gelesen würde, der in soundsovielter Auflage vorliegende Kulturwirtschaftsbericht! Da hätte man die umwegrentabile Bedeutung einer attraktiven städtischen Kultur schwarz auf weiß. Was nicht daran vorbeiführe, so Christian Esch vom NRW-Kultursekretariat, dass es die Wirtschafts- und Finanzkrise sei, die den Kommunen die Luft zum Atmen nehme. Und doch, aller Schuldenfallen zum Trotz, auch wenn nur geringfügig steigende Kredit-Zinsen jede ‚Einsparung’ sofort auffressen – eins solle man sich schon klar machen: Gelder, die in die Kultur fließen, sind Investition, keine Subvention.
Olymp in Duisburg
Am lebhaften Applaus, der derartige Basisinformationen regelmäßig begleitete, ließ sich einiges ablesen. Zunächst, dass das Bewusstsein für den Zusammenhang von Stadt und Kultur breit und dass es geschärft ist. Ferner aber auch dies, dass man es leid ist, sich von windelweichen Kommunalpolitikern, von unfähigen Verwaltungsjuristen selbstprovinzialisieren zu lassen. Um was es dabei immerhin geht, zeigte die eingreifende Präsenz der Duisburger Philharmoniker. Dass eine Entscheidung gegen die Theaterehe unwillkürlich auch eine Entscheidung gegen das Orchester wäre, deren Dienst zu zwei Dritteln Operndienst ist – dies machte man auf ironisch-sarkastische Weise klar, indem ein kerngeschrumpftes Trüppchen (das heimliche Ideal aller Sparkommissare), den Kopfsatz aus Schuberts Unvollendeter „spielte“. Natürlich ein Witz, aber mit tieferer Bedeutung. Eine, die Frank-Peter Zimmermann, gebürtiger Duisburger aufgriff und in ein bewegendes Plädoyer verwandelte. Hier auf dieser Bühne, hier in diesem Theater, so der Stargeiger, seien seine Anfänge gewesen. Über Vater und Großvater sei er aufgewachsen mit diesem Orchester, das bis heute so wunderbare Aufführungen zu Wege bringe.
Was dieser Abend im Übrigen locker bestätigte. Die „richtige“, unter Giordano Bellincampi geleitete Schubert-Version – eine zauberhafte Hommage an den Geist. Und als zum guten Schluss Martin Schläpfer per Videobotschaft das Ballett als ein Ballett der Düsseldorfer und Duisburger gewürdigt hatte, und als dann noch ein famoses Gesangsensemble der Deutschen Oper am Rhein für Düsseldorf und für Duisburg Mozarts Gente, gente! all'armi, all'armi! aus der Schlussszene des Figaro hinreißend intonierte, da war kein Halten mehr. Stehende Ovationen. Deren aufsässige, deren lebendige Botschaft: Das hier ist unser Theater.
Schließlich, im Umdrehen, im allgemeinen Beglückungstaumel auf einmal dieses Bild, das sich eingeprägt hat von Marcel Carnés Kameraschwenk auf die Kinder des Olymp. Nur eben, dass es hier tatsächlich die Duisburger waren, die ihr Haus voll, rappelvoll gemacht, die es buchstäblich besetzt hatten bis in die höchsten Ränge. Manifestation des Bürger-, des Theatersinns. Zum Greifen nah. Ergreifend.
- 5. Juni, 15.00 Uhr: Gemeinsame Kulturausschuss-Sitzung Duisburg und Düsseldorf
- 25. Juni, 15.00 Uhr: Sitzung des Rates der Stadt Duisburg