Woher stammt eigentlich das „Instrument des Jahres 2023“, die Mandoline? Wie sieht sie aus, welche baulichen Veränderungen hat sie im Laufe der Zeit durchlaufen? Woher stammt dieses Instrument, das gleichermaßen ein Instrument der klassischen Musik wie auch der Volksmusik – bis hin zu Bluegrass und Jazz – ist? Die vielleicht wichtigste Frage aber ist: „Was hat ein Musikinstrument in der Küche verloren?“
Im ersten Moment erinnert die „Systematik der Musikinstrumente. Ein Versuch“ von Erich Moritz von Hornbostel und Curt Sachs aus dem Jahr 1914 an Bücher wie „Was singt denn da?“ oder „Was blüht denn da?“. Vögel und Pflanzen bestimmen in der freien Natur – das war ihr Sinn. Man betrachtete eine Pflanze – ihren Standort, ihre Farbe, die Form und das Aussehen ihrer Blätter, ihren Geruch usw. Dann konnte man sich durch schrittweises Nachschauen der dabei gewonnen Erkenntnisse der Pflanze nähern und ihr schlussendlich einen Namen geben. Ebenso funktionierte das bei Vögeln. Heute klärt man dies Fragen natürlich mit einer App.
Die Systematik der Musikinstrumente geht denselben Weg. Die Frage lautet: Was ist eine Mandoline? Zunächst einmal die grundlegende Frage: Ist sie ein „Idiophon“ (Selbstklinger), ein „Membranophon“ (Instrument, dessen Klangerzeugung über eine Membrane funktioniert), ein Chordophon (Instrument, bei dem die Töne durch Schwingungen gespannter Saiten erzeugt werden) oder ein „Aerophon“ (Instrument, bei dem der Klang durch direkte Schwingungsanregung der Luft erzeugt wird)? Ein Chordophon – Kennzahl ist die „3“. Die nächste Unterscheidung: Einfaches Chordophon (31) oder – wie bei der Mandoline – zusammengesetztes Chordophon (32: „Das Instrument besteht aus einem Saitenträgern und einem Resonanzkörper in organischem, ohne Zerstörung des Klangapparates unlösbarem Zusammenhang.“). Weiter geht es mit 321, den Lauten, bei denen (Mandoline!) die Saitenebene parallel zur Decke liegt, 322, den Harfen, und 323, den Harfenlauten. Nun ist es fast geschafft: „Bogenlaute“ (321.1), „Jochlaute (321.2) oder „Stiellaute“ (321.3). Bei der Mandoline ist der Saitenträger ein einfacher Stiel, also 312.3. Ein letzter Blick: Wie ist der Stiel angebracht – diametral durch den Resonanzkörper hindurchgesteckt (Spießlauten) oder halsartig an dem Resonanzkörper angesetzt oder angeschnitzt (Halslauten)? So bekommt die Mandoline also am Ende die „Hausnummer“ 321.321 zugewiesen.
Um von der Mandoline auf die Laute zu kommen, hätte allerdings auch ein kurzer Blick in das große Musiklexikon „Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Sachteil“ gereicht. „¦ Lauten“ heißt es dort lapidar unter dem Stichwort „Mandoline“.
Der wesentliche Unterschied zwischen Lauten und Mandolinen ist ihre Spielweise – die Saiten der Lauten werden mit den Fingern angerissen, die der Mandolinen mit einem (Kunststoff-)Plektrum, in Barockzeiten mit einem Federkiel. Die Frühformen der Lauten und damit auch Vorformen der Mandoline gehen bis in den alten Orient zurück. Der arabische Name der Laute „Al-Du“ bedeutet nicht mehr oder weniger als „das Holz“. Frühe Bezeichnungen von Mandolinen zeigen, dass es sich hierbei nicht um klar klassifizierte oder einheitliche Instrumente handelt. Sie werden in der Fachliteratur – etwa bei Michael Praetorius, Sebastian Virdung und anderen – und in unterschiedlichen Regionen zum Beispiel als Mandora, Mandörgen, Mandörchen oder Quinterne bezeichnet. Sie haben drei, vier fünf oder elf Saiten und unterschiedliche Stimmungen, die aber noch oft der lautentypischen Quart-Terz-Stimmung folgen. So kommt es durchaus vor, dass in unterschiedlichen Zeiten und Gegenden derselbe Name nicht auf dasselbe Instrument verweist.
Exkurs: Das Küchengerät „Mandoline“, das in der gehobenen insbesondere französischen Küche Verwendung findet, verweist möglicherweise auf das Musikinstrument, weil die hochstehenden Klingen an die Seiten einer Mandoline erinnern. Mithilfe auswechselbarer Klingen werden hier Juliennestreifen, einfache Scheiben aber auch Wellen- und Waffelschnitte in stufenlos verstellbaren Stärken geschnitten. In Deutschland nennt man dieses Hilfsmittel „Gemüsehobel“.
Die heute am weitesten verbreitete klassische Mandoline entstand vermutlich um 1700 und ist das Sopraninstrument in der Lautenfamilie. Sie wird neapolitanische Mandoline genannt und hat einen tropfenförmigen Korpus, dessen Umriss an eine Mandel (italienisch: mandorla) erinnert. Der Instrumentenbauer spricht von der „Muschel“. Diese wird durch die Verleimung von Holzspänen hergestellt und dann mit der Instrumentendecke verleimt. Diese ist an der breitesten Stelle leicht geknickt. Auf der Decke wird lose der Steg aufgesetzt über den die vierchörigen (heute zumeist:) chromumsponnenen Stahlsaiten verlaufen. Die Länge der schwingenden Saiten (Mensur) beträgt standardmäßig 33 cm. In der Mitte des 18. Jahrhunderts setzt sich die doppelchörige Quintstimmung – gg, d1d1, a1a1, e2e2 – durch. Durch die gleiche Stimmung wie die Violine und die Notierung im gleichen Violinschlüssel, war es für die Violinisten (die ja quasi auch die Sopranstimme spielten) ein Einfaches, dieses Instrument zu erlernen. Die neapolitanische Mandoline ist im wesentlichen das Vorbild der seit den 1970er Jahren aufkommenden „Deutschen Mandoline“, deren Ton aber weicher und wärmer ist.
War in den Anfangszeiten der Mandoline diese ein Instrument der Kunstmusik – Komponisten wie Antonio Vivaldi, Domenico Scarlatti, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und viele andere haben für sie originale Kompositionen geschrieben –, so gewann sie später auch im Volk viele Verehrer. So verschwand sie etwa aus stilistischen und geschmacklichen Gründen in der musikalischen Romantik, lebte aber in der Volksmusik weiter.
Mit den Auswanderern kam die Mandoline auch in die USA, wo sie vor allem im Folk-Rock eine große Rolle spielte. In den USA erlebte sie schon rein äußerlich eine deutlich erkennbare Verwandlung. Der lautenförmige Korpus wandelte sich zu einem, der ähnlich dem der Violine konstruiert war. Der bauchige Korpus verschwand und wurde durch eine gewölbte Decke und einen (leicht) gewölbten Boden, die durch Zargen verbunden wurden, ersetzt – eine Baustruktur, die der der Violine sehr ähnelt. Hatte die neapolitanische Mandoline nur ein meist ovales Schalloch, so wurde in Amerika auch mit f-Löchern experimentiert. Auch bekamen die Flachmandolinen einen Korpuseinschnitt am Ansatz des Halses („Cutaway“). Dadurch konnte die Greifhand des Spielers auch die hohen Lagen des Griffbretts problemlos erreichen. Dieser Mandolinentyp eignete sich besonders gut für die damals in Amerika aufkommenden Musikstile wie Country, Bluegrass und Jazz, wurde aber auch im klassischen Mandolinenorchester gespielt.
Die prägende und erfindungsreiche Gestalt dieser amerikanischen Flachmandolinenform war der 1856 geborene Orville H. Gibson. Um 1881 soll er als Schuhverkäufer und Buchhalter und in einem Restaurant gearbeitet haben. Um 1890 begann er in seiner Freizeit – unzufrieden mit dem Klang und der Lautstärke der Mandolinen seiner Zeit – damit, Musikinstrumente in Heimarbeit herzustellen. Ab 1894 führte er einen auf Mandolinen spezialisierten Laden für Musikinstrumente. Im Mai 1896 beantragte der Autodidakt ein Patent auf eine Mandoline in der aus dem Geigenbau stammenden Archtop-Bauweise, bei der Hals und Zargen aus einem Stück aus einem Holzbrett gesägt bzw. geschnitzt werden sollten. Dieser Zargenrahmen sollte mit jeweils gewölbter Decke und Boden versehen werden. Diese Bauweise stellte sich wegen der großen Menge an Produktionsabfälle als nicht wirtschaftlich heraus. Die dann einzeln hergestellten Hals und Zargen, verbunden mit handgeschnitztem Boden und Decke führten zu einer Mandoline, die ein Verkaufsschlager wurde und damit den Grundstock der bis heute höchst erfolgreichen Gibson Guitar-Corporation legte.
Im März berichten wir hier von einem Besuch in der Werkstatt eines Mandolinenbauers, von der Ausbildung zum Mandolinenbauer (besser: Zupfinstrumentenbauer) und von einigen „Geheimnissen“ dieser Zunft.
Weitere Informationen: www.mandoline.de
Termine:
- 25. März, Wiesbaden-Naurod, 100 Jahre Mandolinenorchester Musikfreunde Naurod 1923 e. V.
15 Uhr – Frühlingskonzert – FORUM, Kellerkopfstraße 4-2 - 25. März, Groß Umstadt, Mandolinenclub Wiebelsbach e. V. 1923
19 Uhr – Eine musikalische Wanderung durch 10 Jahrzehnte – Wiebelsbach, katholische Kirche - 25. März – Eupen, Grenzland-Zupforchester Aachen
20 Uhr – Konzert zum 100-jährigen Jubiläum des Königlichen Mandolinenorchesters Eupen – PopUp Eventlocation, Bahnhofstraße 31