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Werbeprofi Kevin Roberts (Saatchi & Saatchi) bei der Midem 2012: „Wer Musik verkaufen will, muss drei Sachen kreieren: ein Mysterium, Fühlbarkeit und Intimität“. Foto: Ralf Dombrowski
Werbeprofi Kevin Roberts (Saatchi & Saatchi) bei der Midem 2012: „Wer Musik verkaufen will, muss drei Sachen kreieren: ein Mysterium, Fühlbarkeit und Intimität“. Foto: Ralf Dombrowski
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Das Plus im Minus: die Midem in Cannes setzt ihre Entwicklung vom Glamour zum Arbeitstreffen fort

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Je mehr sich die Branche neu erfindet, desto mehr verschwindet sie auch im unsichtbaren Raum des Virtuellen. Eigentlich eine zwangsläufige Entwicklung, wenn man ein Musikstück nur noch als Datensatz versteht. Trotzdem ist es verblüffend, wie diese Entwicklungen sich auch auf die Wirklichkeit einer Messe wie der Midem in Cannes auswirken. Vom 28. bis 31. Januar fand die 46.Ausgabe des internationalen Branchentreffpunkts im Palais des Festivals an der nachhaltig verregneten Croisette statt, unter der neuen Leitung des Messe-Direktors Bruno Crolot und der Chefin der Entertainment Division Anne De Kerckhove.

Denn digitale Unternehmen brauchen keinen Platz. Ihnen genügt ein Rechner an einem Stehpult, um Geschäftsmodelle und Produkte zu präsentieren. Und so hatte sich die Fläche der Ausstellung spürbar verringert. Zahlreiche Tagungspunkte und Panels wurden von Seminarräumen auf kleine Bühnen in die Halle geholt, überhaupt waren rund 40% der Unternehmen neu am Start, auch das ein Zeichen der Umschichtung der Schwerpunkte. Die Konzerte wiederum wurden von früheren Flaggschiffen der Hotellerie wie dem Martinez und dem Carlton in kleinere und preiswertere Clubs und ein eigens eingerichtetes Zelt verlegt. Eine rauschende Eröffnungsparty wie in den vergangenen Jahren wurde gar ganz gestrichen.

Kleinere Brötchen backen also, dafür bessere. Kein schlechtes Motto und so fiel die Bilanz unterm Strich nicht negativ aus. Mit 6900 Teilnehmern aus 75 Nationen wurde ein kleines Plus von 50 Besucher gegenüber 2011 gemeldet, die deutsche Präsenz auf dem Midem erreichte mit rund 150 Unternehmen sogar Rekordhöhe und hatte mit Gästen wie dem Kulturstaatsminister Bernd Neumann prominente Fürsprecher, die die Bedeutung der Kulturindustrie für die heimische Wirtschaftskraft unterstrichen. Überhaupt setzte sich der Trend der vergangenen Jahre fort, der vom Glamour deutlich in Richtung Arbeitstreffen wies. „Wir sind zufrieden“, meinte beispielsweise Petra Deka von ACT Music & Vision. „Wir haben viele internationale Geschäfts- und Vertriebspartner getroffen und das war schon immer eine der wichtigen Aufgaben der Midem“.

Allerdings wirkte das um das Netzwerken herum gestrickte Konferenzprogramm wie ein Wegweiser in eine Richtung, die immer weiter vom eigentlichen Kerngeschäft der Künstler, Labels und Verlage wegführt. Während der brillante Selbstdarsteller Kevin Roberts und CEO der weltweit agierenden Werbeagentur Saatchi & Saatchi auf dem Podium mehr Emotionalität für den Erfolg von Werbung einforderte, zeigte Dan Rose, der Vice President Partnerships des Social Networks Facebook, dass diese Botschaft bei den globalen digitalen Unternehmen längst angekommen ist. Er gab das Motto aus, man müsse „große Unternehmen sozial und soziale Unternehmen groß“ machen.

Das ideale Medium dafür sei wiederum die Musik, die die Menschen bei den Emotionen und Erinnerungen packe und sich im Idealfall über neue Angebote wie der von Facebook forcierten Lebenschronik „timeline“ noch punktgenauer an den Kunden bringen lassen. Spätestens in solchen Momenten wurde klar, dass die Interessen der Musikindustrie im forciert interaktiv agierenden digitalen Zeitalter nicht zwangsläufig denen der Netzunternehmen entsprechen. Denn die einen wollen Kunst machen und sie verkaufen, die anderen hätten Musik gerne als Tool, um diverse andere Angebote zu promoten. Da wird noch viel Vermittlungsarbeit zu leisten sein.   

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