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Der Bundeskulturwahlkampf hat begonnen

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Ein kulturpolitisch spannender Sommer steht bevor · Von Olaf Zimmermann
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Der Coup war perfekt. Kaum wollte sich die CDU über ihren Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen freuen und ihren Wahlsieger Jürgen Rüttgers feiern, kündigte SPD-Parteichef Franz Müntefering Bundestagsneuwahlen für diesen Herbst an. Zur besten Tagesschauzeit trat Bundeskanzler Schröder staatsmännisch vor die Kameras und teilte mit, dass er es nun wissen wolle, ob die Bevölkerung seine Politik bejahe oder nicht. Die zur Schicksalswahl hochstilisierte Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist tatsächlich so etwas wie eine Zeitwende. Bundeskanzler Schröder will offensichtlich nicht dasselbe Schicksal erleiden wie sein Vorgänger Kanzler Kohl, der nach Jahren der Agonie und einer Reihe verlorener Landtagswahlen im Bund den Hut nehmen musste. Also wird die Flucht nach vorne angetreten.

Die politischen Kommentatoren prognostizieren bereits einen Wahlkampf, bei dem es um eine Richtungsentscheidung gehen wird, „soziale Marktwirtschaft“ oder „neue soziale Marktwirtschaft“, wie es die voraussichtliche Kanzlerkandidatin Angela Merkel vor einigen Jahren nannte. Aller Voraussicht nach wird es tatsächlich so, dass dieser Bundestagswahlkampf wesentlich pointierter geführt werden wird als noch der vorherige. Wahrscheinlich auch deshalb, weil bereits seit einigen Jahren eine heimliche große Koalition regiert. Die rot-grüne Koalition war mit jeder verlorenen Landtagswahl mehr auf die Mitwirkung der Union an der Gesetzgebung im Bundesrat angewiesen. Nun werden statt der gemeinsamen Vorhaben die Unterschiede deutlicher werden.

Es wird sich zeigen, was dieses für die Kulturpolitik und speziell die Musik bedeutet. Die Union ist bislang dadurch aufgefallen, dass die Länder die Kulturhoheit und damit die Zuständigkeit für Kultur und Bildung allein für sich beanspruchen. Sie haben daran letztlich die Föderalismusreform, die auch ihnen mehr tatsächliche Gestaltungsspielräume ermöglicht hätte, scheitern lassen. Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), dank derer auch im Musikbereich viele Modellprojekte verwirklicht werden konnten, sollte abgeschafft werden. Es wird sich nun zeigen, ob die Union im Wahlkampf Flagge zeigen wird für Innovationen im Bildungswesen, die vom Bund mitfinanziert werden.

Zu wichtigen Fragen wie zum Beispiel der sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler, zu der die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP Anträge im Deutschen Bundestag vorgelegt haben, hat die Union bislang geschwiegen. Aber auch die SPD ist in dieser Legislaturperiode nicht gerade durch kulturpolitische Akzente hervorgetreten. Sie hat mit der Novelle des Deutsche-Welle-Gesetzes und der Fortführung der Novelle des Filmförderungsgesetzes nur ihre Hausaufgaben gemacht. Von einem kulturpolitischen Aufschwung war nichts zu spüren. Der nächste Wahlkampf wird ein Richtungswahlkampf. Im Mittelpunkt wird das Thema Arbeitsmarkt stehen. Weil es voraussichtlich um die so genannten großen Themen geht, wird es umso notwendiger sein, zu zeigen, dass Kulturpolitik – und damit auch Musikpolitik – ein wichtiges Politikfeld ist.

Der Arbeitsmarkt Kultur ist ein wichtiger, nicht zu unterschätzender Arbeitsmarkt. Die Potenziale dieses Bereiches gilt es deutlicher herauszustellen und die Gestaltung optimaler Rahmenbedingungen einzufordern. Deutschland als rohstoffarmes Land muss in seine Köpfe investieren. Bildung ist der unabdingbare Rohstoff zur Entwicklung neuer Ideen und Produkte. Welchen Beitrag kulturelle Bildung, so auch die am stärksten entwickelte musikalische Bildung, bei der Entwicklung des Denkens und der Kreativität leistet, muss ebenfalls noch viel mehr herausgestellt werden und eine Investition des Bundes in die kulturelle Bildung eingefordert werden. Dem Wert kreativer Leistungen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das Urheberrecht ist kein Hemmschuh gegen wirtschaftliche Entwicklung, sondern im Gegenteil eine wichtige Voraussetzung damit Künstlerinnen und Künstler von ihrer kreativen Leistung leben können und damit weiter schöpferisch tätig sein können. Die Sicherung der Rechte der Urheber, der ausübenden Künstler und der Verlage muss weiter das Hauptziel der Urheberrechtspolitik sein. Dieses muss von den Parteien eingefordert werden. Es wird jetzt auf den Kulturbereich ankommen, ob er sich klein macht und den Wahlkampf den anderen überlässt oder ob deutlich gemacht wird, dass die Kulturpolitik des Bundes wesentlich die Rahmenbedingungen des kulturellen Lebens vor Ort bestimmt und daher eine kulturpolitische Positionierung der Parteien eingefordert wird, die zur Wahl des nächsten Deutschen Bundestages in der dann 16. Legislaturperiode antreten. Besonders spannend werden die Positionierungen der SPD und der Union bei der Frage nach einem Bundeskulturministerium sein. Die SPD hat mit der Einrichtung des Amtes der Kulturstaatsministerin beim Bundeskanzler einen ersten Schritt auf dem Weg zu einem eigenständigen Ministerium gemacht. Aus der Union hat bislang nur der Vizepräsident des Deutschen Bundestages und Vorsitzende der einflussreichen CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen im Deutschen Bundestag, Norbert Lammert, laut über ein eigenständiges Kulturministerium auf Bundesebene nachgedacht.

Es kann also gerade auch kulturpolitisch ein spannender Sommer und Wahlkampf werden. Der Bundeskulturwahlkampf hat begonnen!

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