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Jermaine Landsberger. Foto: IN + OUT Records
Jermaine Landsberger. Foto: IN + OUT Records
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Der Echtzeit-Arrangeur am Schlagzeug: Das Jermaine Landsberger-Trio bei „Bühne frei im Studio 2“

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Wenn Jermaine Landsberger sich für einen Live-Mitschnitt beim BR mit Jim Mullen einen Gitarristen aussucht, mit dem er noch nie gespielt hat, und mit Guido May einen Schlagzeuger, der das letzte Mal vor zehn Jahren für ihn getrommelt hat, horcht man doppelt auf. Der Pianist und Hammond-Spieler aus Nürnberg ist Feinschmecker, was Gitarrenkollegen und Drummer betrifft.

Das hat zum einen damit zu tun, dass Landsberger aus einer Sinto-Familie stammt, in der die Gitarrenkunst und die Kompositionen des großen Django Reinhardt hochgehalten werden. Auch deswegen hat er über die letzten Jahre immer wieder mit Top-Gitarristen zusammen gearbeitet: Mit Biréli Lagrène etwa oder seinem Nürnberger Kollegen Paulo Morello, zuletzt sogar mit dem legendären Pat Martino, den Landsberger für seine aktuelle CD „Gettin’ Blazed“ (Resonance Records) gewinnen konnte.

Noch wählerischer ist der Nürnberger Musiker, wenn es um den Mann am Schlagzeug geht. Den wechselte er zeitweise beinahe so häufig wie seine Socken. Aber wenn Landsberger glaubt, endlich einmal den richtigen Drummer gefunden zu haben, strahlt er bis über beide Ohren – so wie beim Live-Mitschnitt im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks.

In der Tat führte Guido May eindrucksvoll vor, welch wichtige Rolle ein Schlagzeuger speziell im Trio-Format auszufüllen hat. Er war an diesem Abend so etwas wie die Schalt- und Regiezentrale des Trios: Aufmerksam wie ein Spürhund nahm er die rhythmischen Ideen auf, die Landsberger zu seiner Rechten und Jim Mullen zu seiner Linken entwickelten, interpretierte sie, entwickelte sie fort, reichte sie weiter. Manchmal schien er besonders bei Landsberger geradezu vorauszuahnen, welcher rhythmischen Wendung der solistische Flow dieses stets perfekt phrasierenden Tasten-Virtuosen im nächsten Moment folgen würde. Wie ein Arrangeur in Echtzeit sorgte May außerdem für Struktur und Abwechslung. Er wechselte gekonnt zwischen Latin- und Swing-Rhythmen, machte den Groove – etwa bei einer jazzrockig angehauchten Version von „Nardis“ – abgehackt schwer, um ihn anschließend wieder flüssig und leicht werden zu lassen.

Seine stärksten Momente hatte das Trio, wenn es Neues oder Unbekanntes abseits vom Jazz-Standards-Repertoire und Hammond-Traditions-Sound interpretierte. Etwa mit Landsbergers wunderschöner „Valse Manouche“, die modernen Jazz mit der Melodiösität des Musette-Walzers (und Jim Mullens flinkem Anschlag-Daumen!) verbindet. Wenn Richard Galliano das Akkordeon – als klassisches Instrument der Musette – immer wieder wie eine Orgel behandelt, müsste sich umgekehrt eine Art Modern-Jazz-Musette auch auf Hammond-Orgel und Jazzgitarre entwickeln lassen. So oder ähnlich muss Landsbergers Kalkül gelautet haben, das mit der „Valse Manouche“ auch ganz wunderbar aufgeht.

Der Organist selbst hatte einen seiner stärksten Auftritte mit einem Intro zu Reinhardts „Nuages“, bei dem die Hammond fast wie eine Kirchenorgel klang. Es mündete in eine anfänglich überraschende Latin-Version des Django-Klassikers, dessen zarte, parfumartige Atmosphäre dann allerdings durch das zu flotte Tempo und das ‚Abdrücken‘ in den Soli ein wenig zerspielt wurde. Gerne hätte man „Nuages“ so stimmungsvoll, gewagt und modern wie im Intro gehört, vielleicht sogar als Solo-Feature auf der Orgel.

Mullen setzte kurz vor Ende des zweiten Sets noch einmal mit der Ballade „You’ve Changed“ einen Höhepunkt. Die resignative Schönheit dieses Jazzstandards deutete er als großer Meister des jazzig phrasierten Blues stimmungsvoll aus. Dabei ließ Landsberger seine Hammond in hellen Tönen gurgeln und schmachten – beinahe so, als richte sich der Vorwurf des enttäuschten Lovers an ihn, den Organisten.

BR-Klassik strahlt den Konzertmitschnitt am Freitag, den 6. August 2010 in der Sendung „JAZZTIME“ aus (Beginn: 23.05 Uhr).

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