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Das Zementwerk Mainz-Weisenau als multiple Schallfabrik. Foto: Juan Martin Koch
Das Zementwerk Mainz-Weisenau als multiple Schallfabrik. Foto: Juan Martin Koch
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Die beschallte und durchleuchtete Fabrik – „MenschMaschine-KlangMaschine“ (mit Film)

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Ein Saxophon, in Maschinen versteckt. Ein Rieseninstrument aus Bambus zwischen dem Stahl einer Ladehalle. Blechtonnen, die mit Mahlsteinen traktiert werden. Sprechchöre, ein fernes Sopransolo, eine chinesische Flöte, die im Weit des Werks verhallen. Die audiovisuelle Performance „MenschMaschine - KlangMaschine“ führte den Zuhörer und Zuschauer in die schwer zugänglichen Eingeweide eines Mainzer Zementwerks. Mit diesem Ansatz „lockt“ die Sängerin und Musikkünstlerin Sigune von Osten die Menschen an ungewöhnliche Orte, um ihnen dort neue Klänge näher zu bringen. (Bericht und Film)

„… aber eine Musik kann wie ein Bild, ein Gedicht oder ein Buch Nachricht geben vom desolaten Stand der Gesellschaft, sie kann mitwirken, kann Bewusstsein stiften, wenn ihre technischen Qualitäten sich auf der Höhe der ideologischen halten.“ Dieser Nachsatz, den Luigi Nono 1969 seinem Bekenntnis folgen ließ, er wisse sehr wohl, „dass eine Partitur ebenso wenig je eine Revolution wird auslösen können wie ein Bild, ein Gedicht oder ein Buch“, hat 40 Jahre nach jener Revolte, die Albrecht Dümling auf den kommenden Seiten rekapituliert, wenig von ihrer Prägnanz verloren. Und auch die Werke Nonos, die dieses Credo beherzigen, haben aus eben diesem Grund trotz ihres mittlerweile historischen Kontextes kaum etwas von ihrer Relevanz eingebüßt.

Es war also nicht bloß nostalgische Verbeugung vor einer Schlüsselgestalt der Neuen Musik, die Sigune von Osten dazu bewogen hatte, „La fabbrica illuminata“, Nonos Auseinandersetzung mit den Arbeitsbedingungen im Italien der 1960er-Jahre, in den Mittelpunkt ihrer audiovisuellen Performance „MenschMaschine-KlangMaschine“ auf dem Gelände der Zementfabrik Mainz-Weisenau zu stellen. Nonos Werk kann gleichzeitig als ein Beispiel für einige der Gestaltungsprinzipien Neuer Musik gelten, die bis heute Bestand haben: die collageartige Verwendung verschiedener, nicht nur literarischer Texte, den variablen Umgang mit einer Solostimme und eines vorab aufgenommenen Chores, die Verwendung von Alltagsgeräuschen und den Einsatz elektronischer Verfremdungen mittels einer Bandzuspielung.

Im normalen Konzertumfeld würde das 17-minütige Stück bestenfalls die Funktion des zähneknirschend geduldeten Alibi-Neutöners einnehmen. Ganz den Intentionen des Netzwerks Neue Musik gemäß, in dessen Rahmen die Fabrik-Aktion den Auftakt des „Spektrum Villa Musica“-Projekts aus Rheinland-Pfalz bildete, hatte Sigune von Osten den kompletten Abend als vermittelnde Hinführung auf dieses eine Werk konzipiert: Durch das farbig erleuchtete und mit Christoph Schlägers „Geräuschgestalten“ beschallte Röhrensystem der Unterführung wurden die Besucher auf das offene Werksgelände geführt, wo Klangarbeiter – nicht ohne eine gewisse rhythmische Koordination – den ohrenbetäubenden Kontakt von Zementmahlsteinen mit Eisengestängen auskosteten. Die weiteren Klangaktionen auf dem Weg zum eigentlichen Konzertort hatten mehr optisch-skurrilen Unterhaltungswert denn echte akustische Erfahrungen zu bieten: Matthias Schubert versuchte sich mit seinem Tenorsaxophon gegen den vom THW fein austarierten Krach (Bohrhammer, Motorsäge und Trennschleifer) zu behaupten, Carl Ludwig Hübsch choreografierte mit seiner Tuba einen Radlader und einen Gabelstapler. Der Silo-Seilakt der Höhenrettung, den ein Eisenfässerorchester untermalen sollte, fand wegen eines einsetzenden Unwetters nur akustisch statt.

Nach einer wiederum geräuschhaft grundierten Pause gelangte man in den ausladenden zweiten Stock der ehemaligen Packhalle, der akustisch und optisch bestens präpariert einen idealen Konzertort für den kleinen Gang durch die Geschichte der Industrialisierung abgab, den Sigune von Osten um Nonos Komposition herum gruppiert hatte. Neben dem Hauptwerk selbst in der eindringlichen Interpretation von Ostens, faszinierte vor allem das „Bambuso Sonoro“, jenes Klangkunstwerk aus unzähligen Flöten, mit dem Hans van Koolwijk seit über zehn Jahren unterwegs ist, eine echte „KlangMaschine“, die aber doch auf die koordinierende Anstrengung eines Spielers angewiesen ist. Weitere hochklassige Beiträge kamen vom Sheng-Solisten Wu Wei sowie von den Schlagwerkern Ray Kaczynski und Frank Thomé; prägnant und mit beachtlicher Präzision stellten, koordiniert von Silke Egeler-Wittmann, die AG Neue Musik des Leininger-Gymnasiums Grünstadt und der aus Arbeitssuchenden zusammengestellte „MM-Chor“ ihre rhythmischen Sprechgesänge, unter anderem aus Gebrauchsanweisungen und BWL-Schlagworten, in den Raum.

All diese, je nach Blickwinkel auch optisch reizvollen Elemente sensibilisierten für Nonos weitaus sperrigere „Fabbrica“, wie selbstverständlich schien sich sein radikalerer Umgang mit Text, Stimme und Arbeitsgeräusch aus dem zuvor Gehörten zu entwickeln. Weniger überzeugend die allzu sehr in den Vordergrund sich drängende textliche Verklammerung: Die argumentative Dichte der im Prinzip durchaus sympathischen Fortschrittsskepsis näherte sich bisweilen der Subtilität des THW-Bohrhammers an.

Im Sinne eines Auftakt-Events kann der „Klangraum Rheinland-Pfalz“, eine von drei Säulen des „Spektrum Villa Musica“, die­se Werksbeschallung also durchaus als Erfolg werten. Ein übertragbares Vermittlungs-Modell konnte und wollte die Aktion freilich von vornherein nicht sein; nüchtern betrachtet war der künstlerische Ertrag gemessen am Aufwand dann wohl doch zu gering. Die folgenden Termine, im Juli etwa „Visionen – Gesänge zu Dantes Göttlicher Komödie“ in den Mainzer Kammerspielen, und die längerfristig angelegten Aktivitäten werden zeigen, ob die Zweckgemeinschaft unterschiedlicher Akteure, die sich da unter dem Dach des Netzwerks zusammenge­rauft hat – andere Partner arbeiten dagegen schon seit Jahren zusammen –, zu einer gemeinsamen Linie findet. Sigune von Osten, die im Sommer in ihrer „Parkmusik“ im Trombacher Hof wieder Neugierige auf eine Hörtour unter freiem Himmel einlädt (Thema Messiaen), hat jedenfalls schon weitere Pläne: 2009 wird unter dem Motto „Entertainment“ ein Stück von Iris ter Schiphorst im Zentrum eines Projektes stehen, 2011 sollen auf der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein alle Netzwerkpartner einen gemeinsamen Abschluss ihrer Arbeit gestalten.

www.netzwerkneuemusik.de
www.spektrum-villamusica.de

 

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