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Der Zuschauerraum des Nationalhteaters. Blick von der Proszeniumsloge (Engelsloge) in den Zuschauerraum. Foto: Wilfried Hösl
Der Zuschauerraum des Nationalhteaters. Blick von der Proszeniumsloge (Engelsloge) in den Zuschauerraum. Foto: Wilfried Hösl
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...die Einsamkeit überwinden... – Festakt zur 50. Wiederkehr der Neueröffnung von Bayerns Staatsoper

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Es ist ja nicht die Bayerische Staatsoper, die seit bald 400 Jahren unwidersprochen die „Macht der Gefühle“ in hohem Wirkungsgrad hält, die mehrfach hintereinander (deutsches) Opernhaus des Jahres geworden wäre. Das hat sie (noch) nicht geschafft. Solches war immerhin dem Intendanten Klaus Zehelein in Stuttgart zu danken. Der ist freilich mittlerweile Präsident der von August Everding im Prinzregententheater München konzentrierten und von dort aus vernetzten Top-Ausbildungsstätte Theaterakademie August Everding.

Die es dort ebenso wenig geben würde wie ein voll funktionsfähiges Prinzregententheater. Ohne eben jenen August Everding. Der in München ja nicht nur Kammerspiele-Intendant war. Sondern auch Chef der Bayerischen Staatsoper. Und so schließt sich der Kreis rund um Maximilianstrasse, die geschmähte, die geliebte. Und direkt an sie anknüpfend rund um den Max Joseph Platz. Da stellt sich öfter als zuweilen die Frage nach Sinn und Sinnlichkeit, nach Lust und Luxus. Mehrmals hat sich die Münchner Bevölkerung den Luxus erlaubt, ihr mehrmals abgebranntes Opernhaus wiederaufbaufinanzierend aus den Ruinen neu erstehen zu lassen, dank bemerkenswerter Großzügigkeit im Spendenaufkommen. Gewiss hat den Löwenanteil die Steuerzahlergemeinde geleistet. Aber ohne diesen Bürgersinn gäbe es in München kein Gärtnerplatztheater, keine Pinakothek der Moderne, nicht die historisch rekonstruierte Bayerische Staatsoper in ihrer gegenwärtig-historischen Gestalt. Und die war hart umkämpft.

Während Dresden und Frankfurt heute ihre Barock-und-oder-Mittelaltervergangenheit mit Plastikfertigteilen partiell rekonstruieren, hatten die Münchner in bitter armen Nachkriegsjahren sich entschieden, aus dem Trümmerfeld Altstadt wenigstens die Strukturen der gewachsenen Stadt neu zu bauen – inklusive Nationaltheater. Das real Neue konnte dann weiter draußen entstehen. Diese Denkungsart brachte der Stadt Spott ein und Hohn zuhauf. Heute ist das ein nicht unwesentlicher Faktor für die auch touristische Beliebtheit des Hot Spots Munich. Zur Feier des Tages lud die Bayerische Staatsoper in ihre heiligen Hallen - fünfzig Jahre nach der Eröffnung des rekonstruierten alten neuen Hauses. Das musste ein Fest werden. Und es wurde eines.

Gerahmt von den musikalischen Hausgöttern Mozart zu Beginn (Don Giovanni-Ouvertüre), Richard Strauss, Richard Wagner und Wolfgang Amadeus Mozart zum Abschluss (Zauberflöten-Finale), ohne Hausgott der Gegenwart freilich (gibt es den nicht?), mit Nina Stemme (Strauss) und Jonas Kaufmann (Wagner), mit dem neuen GMD Kirill Petrenko, dem Bayerischen Staatsorchester, dem Staatsopernchor und Grußworten von Staatsintendant Nikolaus Bachler, vom neuen Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Ludwig Spaenle und der Präsidentin des Bayerischen Landtags, Barbara Stamm.

Da wurde historisch Relevantes referiert, politisch Korrektes, Wahres. Schönes. Gutes. Und auch historisch Kritisches. Schon staatstragend. Aber vergleichsweise locker. Bissiger ging dann der Festredner zur Sache, der riesengroße ungarische Großschriftsteller Péter Esterházy. Was er mit Humor, mit Selbstironie, in unvergleichlich musikantisch-ungarischer Melodiosität vortrug, war eine Zeitreise. Er handelte vom Schriftsteller, der vom Roman als Oper spricht, der darüber reflektierte, wie die Einsamkeit womöglich zu überwinden sei, der mit Witz daran erinnerte, dass das eigentliche Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland genau genommen das Jahr 1954 ist - man erinnerte sich eines speziellen Fußballspiels... Er erzählte von einer partiellen Erblindung in der Kindheit, ausgelöst durch einen Fußball, der ihm ins Gesicht flog – und eine Netzhautablösung zur Folge hatte. Mit kleinen autobiographischen Details rief er Zeitläufe in Erinnerung. Humorvoll. Vom Lauf der Dinge geprägt. Zwischen all der Provokation, inmitten von all der Melancholie blieb die Vision der Hoffnung. Und dass die Utopie nicht versinkt. Grosse Heiterkeitserfolge zwischendrin und prasselnder Schlussapplaus dankten dem Denker und dem verdichtenden Erzähler.

Der Schlusschor aus der Zauberflöte schlug den Bogen zurück in die aktuelle Realität. Apropos Fest: (Fast) jedem Besucher wurde bei Abholung der Garderobe eine nachdrücklich umweltbewusste Papiertragetasche in die Hand gedrückt mit einem „Operator“ in der flüssigen Gestalt eines dunklen Doppelbocks, eines gar köstlich-keramischen Jubiläums-Bierkrugs, eines Bündchens Radieschen, eines Kreuzer-Weckerls samt der neuesten Ausgabe von Max Joseph, dem aktuellen und wie immer höchst lesenswerten, inhaltsreichen und optisch opulenten Magazin der Bayerischen Staatsoper.

Damit erinnert das Haus am 17. November 2013  an die sogenannte Bürgerpremiere anlässlich der Wiedereröffnung des Nationaltheaters vor fünfzig Jahren. Und überreicht gleichermaßen charmant und ortstypisch ein symbolisches bayerisches Dankeschön. Andernorts hätten Verantwortliche womöglich zu Champagner gegriffen. Der hätte ein wohl weniger offensichtliches Imageproblem. Würde aber dem Regionalen weit weniger entsprechen. Und die virulenten Vorurteile virusartig vervielfältigen... Festeswürdig ist schließlich auch noch das wundervolle und gar prächtige und in der Tat zutiefst intelligente Prachtbuch 50 Jahre Nationaltheater - Tag für Tag 1963 bis 2013 (zu beziehen für € 34,– über die Bayerische Staatsoper). Womit sich der Kreis schließt, zwischen der Macht der Gefühle und dem Anspruch des Intellekts.

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