Wie sich die Bilder gleichen, ob auf der Bühne oder im wirklichen Leben: in Bayern wird um die Macht gerungen, wobei der Sieger auf der Opernbühne seit letzter Woche feststeht. Nikolaus Bachler, der neue Staatintendant, hat mit Martin Kusejs fulminanter Inszenierung von Verdis Macbeth die Lethargie der letzten Jahre von der Münchner Bühne gefegt.
Dabei ging es naturgemäß nicht ohne Verstörungen ab, die sich am Ende der ersten Premiere der neuen Spielzeit in heftigem Buh, aber auch in lautstarker Zustimmung äußerten.
Was war geschehen? Martin Kusej, ab 2011 Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels und ausgewiesener Theatermann, hatte Verdi beim Wort genommen. Dessen lebenslange Liebe zu Shakespeare fand in dem 1847 in Florenz uraufgeführten und für Paris 1865 noch einmal gründlich überarbeitetem Macbeth seinen ersten musikalischen Höhepunkt. „Ich wünsche mir, dass die Künstler mehr dem Dichter als dem Komponisten dienen“, wird Verdi im Programmheft zitiert. Daran hält sich der Regisseur und verdichtet das blutrünstige Drama um Gier und Machterhalt als ein Drei-Personen-Stück zwischen Macbeth (Zeljko Lucic), der Lady (Nadja Michael) und den Hexen.
Die Szene (Bühne: Martin Zehetgruber) beherrschen weiße Totenschädel als eine Art „Killing Fields“ nebst Militärzelt, das den Krieg aller gegen alle symbolisiert und in dem die Lady in einem „Spiel vor dem Spiel“ ihr Kind verliert. So ist für Kusej die Kinderlosigkeit des Protagonistenpaares die eigentliche Triebfeder zu Aufstieg und Gewalt, und konsequent lässt er die Hexen als blonde Kinderschar aufmarschieren, die die beiden immer wieder an ihren gemeinsamen Makel erinnern.
Das Unheimliche dieses musikalischen Totentanzes wird kontrastiert von derber Deutlichkeit, mit der Macbeth' Verbrechen, seine Morde und Gewalttaten vorgeführt werden. Hier ist die Inszenierung nah beim shakespearschen Renaissancetheater, stehen Mord, Macht und Wahnsinn im Vordergrund, wird nichts beschönigt oder versteckt. Da erntet das Regieteam seine ersten Buhs, wenn nackte Leiber in die Höhe gezogen werden oder in der Hexenszene auf offener Bühne uriniert wird. Wer freilich den Text dazu liest, weiß, dass Kusej nicht falsch liegt. Singen die Zauberer doch vom Finger des Kindlein und dem Herz eines Ketzers, die dem Wundertrank beizumischen sind.
Nadja Michael, vom Intendanten als indisponiert entschuldigt, ist eine amazonenhafte Lady, die sich mit ihrer großen Auftrittsszene alle Anzeichen von Schwäche buchstäblich vom Leib singt. Doch im Laufe des Abends verstärkt sich dann leider der Eindruck, dass die Grippe wieder die Oberhand über die Sängerin und deren Stimmpotential errungen hat. Ihr zur Seite gibt Zeljko Lucic einen düster verhaltenen Macbeth. Der aus Serbien stammende Bariton setzt in erster Linie auf die leisen und bedrohlichen Stellen der Oper, die ja überwiegend zur Nachtzeit spielt. Nicola Luisotti (musikalische Leitung) und das Bayerischen Staatsorchester kontrastieren die spröde Herbheit der Inszenierung mit gefühligem Pathos, das durch den wie immer präzise singenden Chor (Leitung: Adrés Másparo) vielstimmig verstärkt wird.
Wer schläft, stirbt, betitelt Nikolaus Bachler den Auftakt seiner Intendantenzeit in München. Und in der Tat hat der frische Wind, der seit einigen Tagen durch Bayern weht, nicht nur die Politiker und die Politik aufgeweckt, sondern auch die Musen und ihr Publikum. Im November wird dann der musikalische Hausherr, Kent Nagano, mit Alban Bergs Wozzeck in der Inszenierung von Andreas Kriegenburg das nächste Kapitel der Münchner Operngeschichten aufschlagen. Seien wir gespannt.