Sie spielen in Schulen, Gaststätten, Gemeindehäusern und Stadthallen. Sie sind stets auf Wanderschaft. Die 24 Landesbühnen in Deutschland bringen die Kultur aufs Land – in Städte und Dörfer, die kein eigenes Theater haben. So versorgen sie ganze Regionen mit Schauspiel und Musik. Und das kann mitunter ganz schön anstrengend sein.
«Wenn unser Ensemble in einer anderen Stadt auftritt, dann übernachtet es dort nur, wenn der Rückweg länger als vier Stunden dauert», berichtet Jens Kowsky, Dramaturg für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit in Detmold. «Das muss man sich nur mal vorstellen. Bis zu vier Stunden Anfahrt, Garderobe, Maske, Aufführung - und dann vier Stunden Rückfahrt.»
Leidenschaft fürs Theater
Kowsky sitzt inmitten von Kulissenmodellen an seinem Schreibtisch und organisiert gerade die 14. Deutschen Landesbühnentage, die vom 18. bis zum 27. März in Detmold stattfinden. Mit Aufführungen aus ihrem Repertoire werden dann 19 der 24 deutschen Landesbühnen die Stadt in Ostwestfalen über eine Woche lang in eine wahre Theaterlandschaft verwandeln. Seine Begeisterung für die Wanderbühnen ist Kowsky anzumerken. «Da steckt echte Theaterleidenschaft hinter. Das stellt schon körperlich ganz andere Ansprüche an die Musiker und Schauspieler», sagt er.
Das weiß auch der Deutsche Bühnenverein, der diesen Einsatz deshalb im vergangenen November mit der Verleihung des Faust-Preises an die Landesbühnengruppe gewürdigt hat. Präsident Klaus Zehelein sieht die Landesbühnen als beispielhaft für engagiertes Theater. Denn sie seien identitätsstiftend und sorgten für einen lebendigen Austausch zwischen Künstlern und Publikum.
Weil die Landesbühnen einen unverzichtbaren Beitrag zur Vielfalt der deutschen Theaterlandschaft leisten, werden sie auch – anders als beispielsweise die Stadttheater - zu einem bedeutenden Anteil von ihren Bundesländern getragen. Dabei können die Rechtsformen durchaus verschieden sein. In Detmold etwa sind neben NRW auch die Stadt Detmold, der Landschaftsverband Westfalen Lippe und andere in einer gemeinnützigen GmbH organisiert, die etwa zur Hälfte vom Land getragen wird. Das Staatstheater in Sachsen wird dagegen zu 100 Prozent vom Land finanziert.
Vier Landesbühnen in NRW
In Nordrhein-Westfalen gibt es vier Landesbühnen. Älteste und größte ist das Landestheater in Detmold, das alle drei Sparten (Tanz, Musiktheater und Schauspiel) anbietet. Es wurde am 8. November 1825 gegründet und gibt bereits seit 1922 Gastspiele. Deutschlandweit 112 Orte zwischen München und Hamburg fährt es regelmäßig an. Die Kilometer, die das Ensemble dabei zurücklegt, würden reichen, um dreimal um den Globus zu rollen.
Die Aufführungen der Landesbühnen werden von Theatern und Stadthäusern ohne eigenes Ensemble eingekauft. Zweimal im Jahr findet dafür ein Theatermarkt der Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen (INTHEGA) statt. «Die reinen Tourneetheater, Musik- und Varietégruppen sind in diesem Markt natürlich eine starke Konkurrenz», sagt Christian Katzschmann, Chefdramaturg in Detmold. «Die kommen aus ganz Europa. Und wenn die Zeiten wirtschaftlich angespannt sind, ist der Absatz von Gastspielen natürlich noch schwerer», weiß er. Doch Katzschmann ist zuversichtlich, auch weiterhin gutes Theater jenseits der Etatdebatten machen zu können. «Die Landesbühnen haben hier, wegen ihrer Stammhäuser, ein sehr stabiles Konzept und sind reaktionsstark», sagt er. «Unsere Binnenstruktur ist durch die langfristige Planung allerdings wesentlich komplexer als in einem Stadttheater.»
Um sich untereinander keine Konkurrenz zu machen, stimmen die Landesbühnen in NRW ihre Spielpläne in enger Kooperation aufeinander ab. Beim Theaterfestival in Detmold wird deshalb Abwechslung auf jeden Fall garantiert sein.
Die vier Landesbühnen in NRW:
In Nordrhein-Westfalen gibt es vier Landesbühnen. Die Burghofbühne Dinslaken ist das kleinste NRW-Landestheater. In seiner Schauspielsparte legt es großen Wert auf Inszenierungen für Kinder und Jugendliche. Seit drei Jahren gehören auch türkischsprachige Stücke zum Programm der Dinslakener Bühne.
Die älteste und größte Landesbühne und gleichzeitig Europas größte Wanderbühne ist das Landestheater Detmold, das bereits am 8. November 1825 gegründet wurde. Seit 1922 geht es mit allen drei Sparten (Schauspiel, Musiktheater und Ballett) auf Tournee. Überdies haben die Detmolder ein Jugendtheater («Kaschlupp») mit eigener Spielstätte.
Beim Rheinischen Landestheater Neuss ist das Koordinationsbüro der NRW-Landesbühnen angesiedelt. Gegründet am 16. August 1925, ist das Rheinische Landestheater mittlerweile ganz in der Gegenwart angekommen. Fragen zu stellen und Widerspruch zum Zeitgeist zu provozieren, das hat die Bühne sich selbst zur Aufgabe gestellt. Auch öffnet sich das Theater für Diskussionen in ungewöhnlichen Formaten wie Matinéen, Late Nights oder Talkrunden.
Das Westfälische Landestheater Castrop-Rauxel plant zur Zeit einen Autorenwettbewerb für Migranten. Damit sollen Menschen ermuntert werden, für die Bühne zu schreiben, die sich bisher noch kaum im deutschen Theater vertreten sind.
Termine der Landesbühnentage in Detmold
- Freitag, 18. März:
19.30 Uhr Landestheater, Premiere «Kommt ein Mann zur Welt», moderne Groteske von Martin Heckmanns (Landestheater Detmold)
- Samstag, 19. März:
19.30 Uhr, Landestheater, «Die Ermittlung», Oratorium in 11 Gesängen von Peter Weiss (Landesbühne Niedersachsen Nord, Wilhelmshaven)
19.30 Uhr, Detmolder Sommertheater, «Charleys Tante», Farce von
Brandon Thomas (Theater Hof)
- Sonntag, 20. März:
18.00 Uhr, Landestheater, «Anatevka», Musical von Joseph Stein, Jerry Bock, Sheldon Harnick (Theater der Altmark, Stendal)
20.00 Uhr, Grabbe-Haus, «Ob so oder so» von Oliver Bukowski (Landesbühne Sachsen-Anhalt, Lutherstadt Eisleben)
- Bis Sonntag (27. März) werden in Detmold noch weitere 17 Inszenierungen aufgeführt.
Programm unter www.landestheater-detmold.de