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Titelseite der nmz 2022/02
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Die Kulturampel steht auf grün

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Innen, Außen und Soziales: die Kulturperspektiven der Bundesregierung · Von Olaf Zimmermann
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Eine Überraschung war es schon, als im Koalitionsvertrag zu lesen war, dass Bündnis 90/Die Grünen in dieser Wahlperiode Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) stellen. Lange Zeit schien es als ausgemacht, dass, sollte die SPD den Bundeskanzler stellen, sie auch dieses Amt besetzen und mit einem Bundesminister für Kultur und Medien aufwerten wird. Man konnte auch den Eindruck gewinnen, dass sich der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda, seines Zeichens auch Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie und Präsident des Deutschen Bühnenvereins, für das Amt warmgelaufen hat.

Doch dann kam alles anders. Nun also Claudia Roth, MdB als Staatsministerin für Kultur und Medien an der Spitze der BKM. Das heißt eine strukturelle Aufwertung des Amts fand nicht statt. Bündnis 90/Die Grünen hat aber nicht nur das Amt der Kulturstaatsministerin erhalten, sondern ist über den Wirtschaftsminister Robert Habeck auch für die Kultur- und Kreativwirtschaft zuständig und über die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.

Bündnis 90/Die Grünen hat letztlich fast die gesamte Verantwortung für den Kulturbereich an sich gezogen. In einer stillen Stunde wird uns Bundeskanzler Olaf Scholz sicher einmal erklären, warum der Sozialdemokratie der Kulturbereich bei der Ressortverteilung letztlich so egal war. Mit Claudia Roth hat zum dritten Mal in Folge ein Mitglied des Deutschen Bundestags das Amt der Kulturstaatsministerin inne. Aus meiner Sicht ist es gerade mit Blick auf die strukturelle Ansiedlung als Staatsministerin im Bundeskanzleramt besonders wichtig, dass sie im Parlament und damit in ihrer Fraktion bestens verankert und ein Politikprofi ist.

Dies ist besonders wichtig, weil im Koalitionsvertrag einige neue Vorhaben angekündigt werden. Neu ist auch, dass die Kulturpolitik im Inland und die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in einem Kapitel behandelt werden und damit die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik nicht wie in den vorangegangenen Wahlperioden mit einem eigenen Kapitel im Koalitionsvertrag bedacht wird. Es ist also zu vermuten, dass Kulturpolitik im In- und Ausland stärker miteinander verzahnt werden. Roth selbst hat sich über viele Jahre besonders in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik engagiert. Der neue Leitende Beamte im BKM und Stellvertreter von Roth, Andreas Görgen, war seit 2014 Abteilungsleiter Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt, bringt also ebenfalls viel Expertise in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik mit. Hier wird es sicherlich noch erheblichen Abstimmungsbedarf mit der Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, Katja Keul, geben.

Mit Blick auf die Kulturpolitik im Inland wurden diverse Themen, die bereits in der letzten Wahlperiode entweder im Koalitionsvertrag benannt waren oder sich während der Wahlperiode als dringlich erwiesen haben, aufgeführt. Zu nennen sind hier die Verbesserung der sozialen Lage, mehr Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit und Diversität im Kulturbereich, Fragen der Erinnerungskultur mit den drei Säulen Erinnerung an die NS-Zeit, Umgang mit der kolonialen Vergangenheit und dem Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten sowie Erinnerung an das SED-Unrecht und andere Themen mehr.

Zwei neue Strukturen sollen gebildet werden, um kulturpolitische Diskussionen zu befördern. Zum einen soll ein „Plenum der Kultur“ eingerichtet werden, an dem Bund, Länder, Kommunen, Verbänden sowie weitere Kulturakteure teilnehmen sollen. Wie genau dieses Kulturplenum aussehen soll, wer mitdiskutieren kann und soll, ob es zentral oder dezentral geplant, wer letztlich Absender und Adressat ist und vor allem was mit welcher Verbindlichkeit debattiert werden soll, ist bislang im Dunkeln geblieben. Nach meiner Einschätzung sind hier die Erwartungen in der Kulturszene, was die Wirksamkeit eines solchen Kulturplenums betrifft, sehr hoch.

Neu ist die Initiative Green Culture. Zwar hat bereits in der letzten Wahlperiode die BKM sehr nachdrücklich für mehr Nachhaltigkeit in der Kultur geworben und hier auch Förderakzente gesetzt. Jetzt soll eine zentrale Anlaufstelle „Green Culture“ geschaffen werden, die Beratung, Ressourcen und Wissen für die Transformation bieten soll. Auch hier ist bislang noch unbekannt, ob bereits bestehende Beratungs- und Vernetzungsstellen wie das bestehende von der BKM geförderte „Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit“ ausgebaut und gegebenenfalls neu akzentuiert oder ob das Rad noch mal neu erfunden werden soll. Offen ist ferner, ob die BKM künftig einen zusätzlichen Förderschwerpunkt hier setzen und diesen mit Finanzmitteln ausstatten wird.

Ein Sozialdemokrat ist dann doch noch übriggeblieben, der Verantwortung für die Kulturpolitik mitträgt. Bundesarbeits- und -sozialminister Hubertus Heil ist zuständig für die Stabilisierung der sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler. Im arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Kapitel des Koalitionsvertrags werden umfangreiche Ausführungen zu den Vorhaben in dieser Wahlperiode gemacht, wie Veränderungen in der Arbeitslosenversicherung, damit sie besser für Selbstständige nutzbar wird, die Frage der Mindesthonorare oder auch die Stärkung der Künstlersozialversicherung. Die letzten beiden Aspekte finden auch im Kulturkapitel des Koalitionsvertrags Erwähnung.

Die Bundeskulturpolitik ist grün geworden. Grün ist bekanntlich die Farbe der Hoffnung, also lasst uns hoffen.


  • Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

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