Der Abend hatte etwas sehr Persönliches, ja Freundschaftlich-Intimes. In der Musik, aber vor allem auch im Gespräch, das der Leiter des Ensembles Zeitsprung und künstlerische Leiter der gleichnamigen Konzertreihe Markus Elsner mit dem Jubilar Rudi Spring führte. Der Komponist und Pianist wurde am vergangenen Samstag, 17. März, 50 Jahre alt und ließ sich zuvor in ZEITSPRUNG XXI in der Black Box am Münchner Gasteig im Kreise zahlreicher Freunde und Kollegen musikalisch feiern.
Springs Werken Kompositionen von Peter Kiesewetter gegenüber zu stellen, fand in einer scheinbaren Nebenepisode in der Vita des aus Lindau stammenden Musikers seine überzeugende Berechtigung. An der Münchner Musikhochschule habe er bei Kiesewetter Formenlehre und Musikgeschichte studiert, habe sich auch davon faszinieren lassen, wie Kiesewetter aus einfachen Bausteinen eine neue Welt erschuf, berichtete Spring. Als Komponist ging er zwar bei Wilhelm Killmayer und Heinz Winbeck in die Lehre. Doch übte Hermann Pfrogner mit seinen Ideen zur Diatonik und Naturtonreihe sowohl auf Kiesewetter, wie auch auf ihn, den fast 17 Jahre jüngeren Rudi Spring, einen starken Einfluss aus. Markus Elsner ergriff diese Gelegenheit, das Werk des an Parkinson erkrankten Kiesewetter wieder ins Bewusstsein zu rücken.
„In der Kammermusik kann ich die Leute sinnvoller beschäftigen“, erklärte scherzhaft Rudi Spring seine Abkehr von der großen, sinfonischen Form. Orchesterwerke sind denn auch eher Ausnahmen im umfangreichen Œuvre des Komponisten. „Preludio e Danza“ op.77 von 2005 führte auch überzeugende Argumente für die Vorliebe für die kleineren Formen an. Spring sucht die Klangsinnlichkeit, die feinen Nuancen, behandelt die Klangsubstanz als ein selbständiges, sensibles Element, als ein Spannungsmoment. Gerade das Präludium zeigte sich als eine plastische Klangmasse, aus der sich einzelne Stimmen immer wieder abzuheben wagten. Mit Violine, Akkordeon, Klavier, Klarinette und Violoncello entstand trotz der Reduktion eine reichhaltige Farbigkeit, die sich im Tanz nach einer musikantischen Exposition des Themas in ihre Bestandteile zerlegte, um schließlich in einem überraschenden, tonalen Stimmungsidyll wieder zusammen zu finden.
Diese klangliche Komponente, die bei Kiesewetter auf eine extreme Reduktion der Mittel trifft, verdeutlichte eine gewisse Verwandtschaft der Komponisten. „Sphinxes“ op.100 von 2005 für Violine, Klarinette, Violoncello und Klavier veranschaulichte exemplarisch Elsners Hervorhebung der wichtigsten Charakteristika der Musik Kiesewetters: Sparsamkeit im Material und Langsamkeit der Entwicklungen. Fast meditativ dehnten sich die Klangkonstellationen über weite Strecken aus, von Musikern des Ensembles Zeitsprung dennoch in Spannung und unterschwelliger Erregung gehalten. In minimalistischen Fortschreitungen und gezielten Irritationen gelangten Verdichtungen schließlich zu beeindruckenden Wirkungen von imposanter Größe.
„La Ritirata“ (passacaglia brillante su un basso di Luigi Boccherini) op.43 für Flöte, Klarinette, Streichquartett und Klavier von 1989 zeigte das andere Gesicht von Peter Kiesewetter. Den Humoristen, der hier Boccherinis Vorlage mit Originalität und Witz parodierend sezierte. Das Verwirrende an derartigen Kompositionen Kiesewetters deckte Freund und langjähriger Wegbegleiter Wilfried Hiller (Monografie „Komponisten in Bayern“ Band 51) auf: „So waren seine musikalischen Parodien von einem bitteren sarkastischen Ernst, oft geradezu von einer zerstörerischen Wirkung. Was wir damals nicht ahnen konnten, war die Tatsache, dass sich hinter dieser fröhlichen Maske ein liebenswürdiger todtrauriger Clown verbarg.“
Trotz der heiteren Oberfläche wirkte daher die Fortsetzung des Programms mit Rudi Springs Liederzyklus nach Psalmübertragungen von Arnold Stadler „Ich will singen und spielen, solange ich da bin“ op.85 von 2006-07 gefühlsmäßig auch nicht als Bruch. Beim Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom durch die Lektüre von Stadler angeregt, gehen die Vertonungen explizit auf die klare Sprache (Spring: „ohne anbiedernde Modernität“) des Schriftstellers ein. Die Deklamation bildet den Ausgang für eine Entwicklung zur emotionalen Melodik hin. Und „Melodik ist das, was übrigbleibt, wenn Klangeffekte und harmonische Umkleidung wegfallen“, sagte spring vor 14 Jahren in einem Interview. Eine Aussage, die sich hier in reiner Form manifestierte.
Die schwedische Sopranistin Thérèse Wincent (Staatstheater am Gärtnerplatz, München) legte denn auch extreme Sorgfalt in die Präzision der Diktion in klarer Lautbildung dieser reduzierten Linie. Violine, Akkordeon, Bassklarinette, Violoncello und Klavier durchwirkten sie einfühlsam mit farbigen Klangformen, kommentierten unaufdringlich nah am Text. Ausgeprägt zeigte sich die Dramaturgie in klar abgesetzter Klangcharakteristik zwischen hellen Konstellationen aus Violine und Akkordeon und dunkel gefärbt aus Bassklarinette und Violoncello, oder auch mit der Reduktion auf Gesang a cappella. Die Verschlankung der Formen erinnerte wieder an die Verbindung zu Peter Kiesewetter und schloss überzeugend den konzeptuellen Kreis.