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Die Orgeln mit dem idealen Klang: zur 20. Ausgabe der Silbermann-Tage

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Das Erzgebirge ist kulturell eine Goldmine. Sein sächsisches Bergland etwa ist reich an großen Namen und besonders einer prägt seit fast 300 Jahren die Region um Dresden und Freiberg: Die Instrumente von Gottfried Silbermann (1683–1753), dem bedeutendsten barocken Orgelbaumeister Sachsens, sind bis heute für viele Künstler wie Orgelbauwerkstätten maßgebend, was Klang und Bau betrifft.

Der Großteil seines Opus verteilt sich in der Dreiecksregion, ein Reichtum, der geschätzt und aus dem geschöpft wird. Abwechselnd mit dem 2010 wiedererweckten Musikfest Erzgebirge gibt es Anfang September in zweijährigem Turnus die 1978 gegründeten Silbermann-Tage, seit 1993 ist der internationale Gottfried-Silbermann-Orgelwettbewerb eingebettet. Heuer feierte das Festival seine 20. Ausgabe und der Orgelwettbewerb fand zum elften Male statt.

Ähnlich der 2012 eingestellten fränkischen Reihe „Musica Franconia“ liegt der Schwerpunkt auf Alte Musik im Originalklang - insbesondere auf Musik der Silbermann-Zeit und der Erzgebirgs-Region - und sind die Veranstaltungsorte auf den Spuren Gottfried Silbermanns – daher vornehmlich Kirchen - regional verstreut: Über 30 seiner insgesamt 44 Orgeln stehen hier in kleinen Orten bis großen Städten von Reinhardtsgrimma bis Freiberg und Dresden. Ein internationales Niveau gilt für beide Festivals.

Zur Jubiläumsrunde gastierten Andreas Staier in der Uhrenmanufaktur Glashütte auf Kopien von Cristofori- und Silbermann-Pianoforti, das „Gesualdo Consort Amsterdam“ in der Zöblitzer Stadtkirche mit Wolfgang Zerer an der Silbermann-Orgel oder Cellist Jan Vogler unter dem Konzerttitel „Romantisch: Cello und Orgel“ in der St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz mit einer vibratofrei gespielten Bach-Suite, die im Gegensatz stand zur vorangegangenen „Fantasie und Fuge g-moll“ Bachs (BWV 542) an der Walcker-Kirchenorgel in einer spätromantisch verdickten Einrichtung Paul Homeyers. Organist Albrecht Koch spielte aus der Originalausgabe von 1899, die ursprünglich für eine Walcker-Orgel entstand und so von Koch akkurat übernommen werden konnte.

Der Domorganist des Freiberger Doms ist Präsident der veranstaltenden  Gottfried-Silbermann-Gesellschaft e.V., zugleich Juror des Orgelwettbewerbs, der ebenfalls vom Verein ausgerichtet wird. Die europäische Jury unter dem Vorsitz von Michael Radulescu bewertete drei anonyme Prüfungsspiele an originalen Silbermann-Orgeln in Freiberg und Dresden, ein Anreiz für die 23 Teilnehmer. Das vorgeschriebene Programm verlangte vor allem Barock, dabei vor allem Bach, auch eine Toccata des Silbermann-Förderers Johann Kuhnau und mit Nicolas de Grigny ein Werk des französischen Barock.

Nach dem Finale an den beiden Silbermann-Orgeln im Freiberger Dom gingen zwei dritte Preise an den französischen Orgelstudenten Guillaume Nussbaum (27) und die österreichische Studentin Marina Ragger (26), der zweite Preis an Nicolas Berndt (29), Student der Hochschule Leipzig. Der erste Preis und „Preis der Mitteldeutschen Barockmusik“ wurde nicht vergeben. „Wenn man hier in Freiberg ist, fühlt man, dass Silbermann präsent ist: so perfekt sind seine Orgeln“, erinnert sich Louis-Noël Bestion de Camboulas, Gewinner des Wettbewerbs 2011, in seinem Beitrag für die diesjährige Festivalbroschüre. Dieser Perfektion und ihrem Schöpfer wurde das Gesprächskonzert „Dom & Klang: …mein Silbermann“ am Finale-Standort gewidmet mit Organist Hans Fagius und einer Debattierrunde, der neben „Hausherr“ Albrecht Koch auch Orgelbaumeister Horst Jehmlich zugehörte. Denn die 1808 gegründete Dresdner Werkstätte Jehmlich, die mit ihren Porzellan-Orgelpfeifen aus Meißner Porzellan jüngst einen Versuch des Kurfürsten August der Starke vollendete, baut seit ihrer ersten Orgel anno 1818 in der Tradition Silbermanns.

Bis heute verblüffen seine Orgeln durch handwerkliche Übersichtlichkeit und Klarheit, die Perfektion der Holzbearbeitung und die höchste Qualität der Bauteile wie den haltbaren englischen Zinn für die Orgelpfeifen, den Gottfried Silbermann regelmäßig auf der Leipziger Messe erwarb. Die Pfeifen Silbermanns werden von vielen als „der ideale Klang“ empfunden, so Jehmlich. Ihre weitere Mensur erreichte eine größere Tragweite und löste den bisherigen italienischen, flötig-weichen Orgeltyp in Sachsen ab. Durch seine Qualität aber auch durch sein Marketing-Talent wurde Silbermann im Orgelbau Sachsens ähnlich führend wie Arp Schnitger in Norddeutschland. Wer neben Silbermann bestehen wollte, hatte „ein sehr mühseliges Geschäft“.

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