Bach und Italien haben auf den zweiten Blick mehr Bezugspunkte zueinander, als so mancher protestantischer Kirchenmusiker glauben möchte. Zwar war der Thomaskantor – im Gegensatz zum gleichaltrigen Hallenser Georg Friedrich Händel – niemals dorthin gereist. Die musikalische Welt am Beginn des 18. Jahrhunderts war jedoch vor allem eine italienische, und die wurde von Johann Sebastian Bach sehr wohl wahrgenommenen.
Nicht nur, dass er den italienischen Stil beherrschte und für sich zu verwenden wusste; zahlreich sind auch seine Bearbeitungen und Übernahmen von Konzerten Antonio Vivaldi. So nimmt es nicht wunder, dass sich Claudio Abbado bei seiner Tournee mit dem Orchestra Mozart Bologna, die nun in München ihren krönenden Abschluss fand, für ein reines Bach Programm entschieden hatte.
Bologna, Sitz der weltberühmten Accademia Filarmonica, die bereits 1666 gegründet wurde, beherbergt seit einigen Jahren das Orchestra Mozart Bologna, die dritte Neugründung Claudio Abbados nach dem European Youth Orchestra und dem Mahler Chamber Orchestra.
Die solistische Konzeption des Ensembles kommt dem Bach Abend in idealer Weise entgegen. Bei den Orchestersuiten Nr. 2 h-Moll WV 1067 und Nr. 3 D-Dur BWV 1068 standen dem Komponisten in seiner Köthener Zeit achtzehn exzellente Spitzenmusiker zur Verfügung; Abbado lässt sein Orchester in einer Besetzung von etwas über zwanzig Musiker auftreten. Unaufgeregt und souverän erinnert der bald achtzig jährige Maestro an den zurückhaltenden Dirigierstil eines Richard Strauss oder Hans Knappertsbusch. Er kann sich auf jeden einzelnen seiner Musiker verlassen, die ihm im musikalischen Gestus blind zu folgen scheinen.
Abbados Bachverständnis kann man als im besten Sinne postmodern bezeichnen. Zwar wird nicht auf Originalinstrumenten gespielt, aber die historische Originalklang Erfahrung der letzten fünfzig Jahre spiegelt sich wie eine goldene Landschaft im Hintergrund des Klangbildes. Meisterlich etwa gelingen die schwierigen Taktwechsel der zweiten Orchestersuite, die die Virtuosität des niederländischen Flötisten Jacques Zoon zum Höhepunkt vor der Pause gestaltet.
Überhaupt die Solisten: neben denen des Orchesters fügten sich Isabelle Faust, Violine, im Konzert E-Dur BWV 1042 Gregory Ahss, im Konzert für zwei Violine, d-moll BWV 1043, sowie Lucas Macías Navarro, Oboe und Guilhaume Santana, Fagott, gemeinsam mit dem fabelhaften deutschen Trompeter Reinhold Friedrich im Brandenburgischen Konzert Nr. 2 mit großer Spielfreude zu einem harmonischen Ganzen. Abbado und seinen Musikern gelang an diesem adventlichen Nikolausabend die Bescherung eines ungetrübten Musikgenusses. Das tausendköpfige Publikum dankte allen Beteiligten mit überwätligendem Applaus.