Eigentlich wäre ja irgendwann mal eine Einladung in die Muppet Show fällig gewesen. „Das Tier“ und der animalische Ari Hoenig im Duell? Was für eine Wahnsinnsvorstellung. Mehr Entertainment ginge sicher nicht. Der hohe Unterhaltungswert des Konzerts, das der amerikanische Schlagzeuger im Rahmen des BMW Welt Jazz Awards jetzt gab, tröstete darüber hinweg, dass es vielleicht nie zu dieser Traumpaarung kommen wird.
Jede Schlag-Folge, jeder Wirbel, jede tänzelnde Becken-Figur, jeder Pattern setzt Ari Hoenigs Gesichtsmuskulatur in Gang. Mit einer Mimik, die die Finalisten eines Luftgitarren-Wettbewerbs zu Poker Faces degradieren würde, unterstreicht der 39-Jährige, was er an seinem sehr überschaubaren Drumkit gerade tut. Und das ist eine Menge. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf Rhythmen – vom hart treibenden Swingpuls über einen straffen Funk-Groove bis hin zu einem fies verschleppten Ska oder Dub. Nein, der Mann zaubert Melodien. Bobby Timmons „Moanin´“ etwa – kein leichtes Thema, das er da mittels Paukenschlegeln und Ellbogeneinsatz auf dem Fell seines Toms punktgenau intoniert. Oder die Zugabe: „You Are My Sunshine“ – ein Thema, mit dem der Vater den kleinen Ari früher in den Schlaf sang.
Es gibt sogar Lehrvideos, auf denen der aus Pennsylvania stammende New Yorker sein melodisches Spiel demonstriert. Wie alles, was er tut, dient diese Spezialität nicht nur als virtuoser Gimmick, sondern macht Ari Honig zum kompletten Schlagzeuger. Der hat an diesem eisigen Sonntag Morgen im Doppelkegel drei Musiker um sich versammelt, die locker lächelnd jede seiner Tempoeskapaden mitmachen und sich von ihrem Donut-Geber mächtig antreiben lassen. Mit Tivon Pennicott hat Ari Hoenig einen jungen Tenoristen aus Georgia dabei, der die Historie seines Instruments so drauf hat wie die Klangsprache der Gegenwart. Aufmerksam und doch stoisch sorgt der britische Bassist Orlando le Fleming für satte Grundierungen.
Die eigentliche Attraktion im Quartett ist neben dem Chef der israelische Gitarrist Gilad Hekselman. Schon sein Sinn für Spannungsaufbau kann einen in Verzückung versetzen. Vollkommen perplex aber ist der Zuhörer, wenn die Ohren erst mal realisieren, was der Wahl-New Yorker auf seinem Instrument anstellt. Da vollzieht sich der fliegende Wechsel zwischen kurzen Bassfiguren, flirrenden Linien, klarer Stimmführung, filigranen Arpeggien und eingestreuten Akkorden so ansatzlos und elegant, dass man glaubt, mehreren Gitarren gleichzeitig zu lauschen. Sensationell.
Die Jury des BMW Welt Jazz Awards steht nach diesem vierten Konzert vor einem kleinen Dilemma. Soll sie ein übergeordnetes Konzept wie bei Dejan Terzic, Jim Black oder Samuel Rohrer höher bewerten als die unbändige Spielfreude eines Ari Hoenig? Der macht zwar vielleicht keine besonders originelle Musik zwischen Bop und Jazzrock, fällt aber durch seine unbremsbare Dynamik auf und wird „Leading Drums“, dem Motto des Wettbewerbs, bisher am ehesten gerecht. Gingen die anderen drei Schlagzeuger im Gesamtklang des Ensembles auf, dominiert Hoenig ohne zu unterdrücken und spielt gelegentlich eben auch noch die Leadstimme. Bei der Jury-Sitzung hätte der Kritiker gerne Mäuschen gespielt.
Am 10. März geht es weiter im Programm: mit Western-Melodien der vom Vorarlberger Alfred Vogel geleiteten „Glorreichen Sieben“.