Braunschweig/Berlin - Das Urheberrecht liefert seit Jahren Stoff für hitzige Diskussionen. Die Musik- und Filmindustrie sieht ihre Einnahmen im Plattenladen und an der Kinokasse durch Raubkopierer massiv bedroht. Dem gegenüber steht das Unverständnis der Nutzer, für etwas zahlen zu müssen, das es im Netz vermeintlich umsonst gibt. Einen anderen Aspekt bringen nun Deutschlands DJs in die Debatte ein: Der Berufsverband Discjockey moniert, dass Privatkopien zwar legal seien, DJs sich von ihren CDs und MP3s und damit ihrem wichtigsten Arbeitsmaterial aber keine Kopien machen dürften.
Musikindustrie und Politik lehnen das Ansinnen des Verbands jedoch bisher ab. Die Kopie des professionellen Plattenauflegers gelte als gewerbliche, und die sei nicht erlaubt, klagt Verbandspräsident Dirk Wöhler im ddp-Interview. Während in deutschen Haushalten mit großer Selbstverständlichkeit CDs für den Freundeskreis gebrannt und Festplatten mit Musikdateien ausgetauscht würden, dürfe sich ein DJ keine Sicherungskopien seiner Musiksammlung machen.
Dies könnte im schlimmsten Fall laut Wöhler bedeuten: Er fährt mit dem Auto voll CDs zu einer Veranstaltung, hat einen Unfall, der Wagen brennt aus - und seine komplette Berufsausrüstung ist weg. «Dann bin ich morgen arbeitslos.« Oder alle CDs, darunter nicht mehr erhältliche Raritäten, werden aus dem Auto geklaut.
Zu einem Gig fährt der DJ aus Braunschweig, der in seinem Keller etwa 30 000 CDs und mindestens ebenso viele Vinyl-Platten beherbergt, mit rund 2000 CDs - das heißt, er hat Platten im Wert von rund 30 000 Euro im Gepäck. Eine klassische Sach- oder Transportversicherung sei dafür nicht abschließbar, sagt Wöhler. Entweder lehnten die Versicherer Tonträger in einer solchen Größenordnung ab oder die dafür fällige Prämie sei unbezahlbar. Außerdem seien in seiner Sammlung in den USA gekaufte Raritäen und exklusive Bootlegs, die nicht wiederbeschaffbar seien.
«Ich möchte meinen Job legal ausüben», betont Wöhler und versucht daher bereits seit langem, seine Interessen auf politischer Ebene durchzusetzen. Zwei Mal schon schickte sein Verband eine Petition an den Deutschen Bundestag, beide Male wurde das Anliegen abgelehnt. Doch der 1982 gegründete Verband, dem rund 1000 DJs angehören, kämpft weiter: Ziel sei es nun, das Berufsbild des DJs zu etablieren und durch ein offizielles Prüfungszertifikat zu professionalisieren. Wöhler ist überzeugt, dass sich die Forderungen der DJs besser durchsetzen lassen, wenn sie von »Fachkräften für Musikunterhaltung« erhoben werden.
Immerhin dies trifft in der Politik auf Zustimmung: Die SPD-Kulturpolitikerin Monika Griefahn begrüßt, «dass sich gewerblich arbeitende Discjockeys in Zukunft professioneller aufstellen wollen«. Dies werde sich »sehr positiv« auf den Berufsstand und sein Ansehen auswirken, sagt Griefahn auf ddp-Anfrage. Umso leichter werde es dann auch sein, bei Versicherungen angemessene und mit anderen Gewerben vergleichbare Policen auszuhandeln.
Eine Notwendigkeit, bei dem Verbot von gewerblichem Kopieren eine gesetzliche Ausnahme für DJs zu schaffen, sieht Griefahn derweil nicht. Es wäre »rechtlich mehr als fragwürdig, ob eine solche Ausnahme nicht zu weit in das Recht der Urheber eingreifen würde«, sagt sie. Zudem sei es inzwischen möglich, Musik digital zu erwerben, bei der der Lizenzgeber erlaube, dass die MP3-Dateien auf mehreren Speicherorten gesichert werden.
Auch beim Bundesverband Musikindustrie lehnt man die Forderung der Discjockeys kategorisch ab und teilt auf Anfrage lediglich mit: »Auf eine gekaufte CD kommen rund drei selbst gebrannte CDs, was längst zur Bedrohung für die gesamte Musikindustrie geworden ist. Die Forderung der DJs ist vor diesem Hintergrund absurd, weil es ohne Musik auch keine DJs gibt.»
Wöhler will dennoch auf keinen Fall aufgeben: Schließlich sorgten seine Berufskollegen und er dafür, dass Musiktitel auch verbreitet würden, sagt er. Der Partyhit von DJ Ötzi, «Ein Stern», sei zum Beispiel nicht im Radio gespielt worden, aber dennoch wochenlang auf Platz eins der Charts gewesen - «nur aufgrund der DJs», ist sich Wöhler sicher.