Das Projekt „Signalraum für Klang und Kunst“ im Münchner MUG (Einsteinstraße) knüpft an eine lange Tradition vor Ort an. Komponisten wie Ligeti, Kagel, Boulez, Maderna, Pousseur, Cage, Stockhausen, Schnebel, Hartmann und Riedl hatten in München im berühmten Siemens-Studio für elektronische Musik – heute im Deutschen Museum – ein neues Zeitalter der Musik einleiten wollen. Doch im großen Rahmen konnte sich die konzertante elektronische Musik bis heute nicht etablieren. Die Szene trifft sich jetzt im Signalraum. Gastkünstler war im letzten „Nach(t)klang“ Adam Parkinson, der als Stipendiat der Villa Waldberta zusammen mit Atau Tanaka an der Anwendung von iPhones in der Musik arbeitete.
Der Engländer Adam Parkinson, der zu neuen Musiktechnologien promovierte und an der Universität Newcastle im Bereich der Philosophie und Kulturtheorien der Musik lehrt, führte im Signalraum das breite Spektrum der Anwendbarkeit von iPhones überzeugend vor. Die Soundmanipulation in Echtzeit erfolgte dabei über die Bewegungssensoren des Gerätes sowie die Funktionen seines Touchscreens. Das iPhone trat hier also weniger als ein Musikinstrument in Aktion, als vielmehr als ein weiteres elektronisches Hilfsmittel, um in erster Linie in der Art einer Ad-hoc-Improvisation angewandte Physik und Technik mit Musik zu verknüpfen.
Das erklärte Ziel der Arbeit im Signalraum ist es, neue ästhetische Konzepte zu entwickeln. Insofern war der experimentelle Charakter ein gewollter Ansatz. Im Grund ist die reine elektronische Musik bis heute über den experimentellen Status kaum hinausgekommen, zumindest was den künstlerischen Anspruch betrifft. Gewisse ästhetische Merkmale wiederholen sich zwar, doch das künstlerische Prinzip scheint bisher keine eigene Sprache entwickelt zu haben und orientiert sich an tradierten Strategien, ohne daraus klar umrissene Inhalte zu gewinnen.
Zusammen mit Georg Janker am Kontrabass und Christoph Reiserer am Sopransaxophon knüpfte Adams hier zunächst an Entwicklungen im experimentellen Jazz an, wo die Verwendungung von analogen Musikinstrumenten den Zugriff auf ein reichhaltiges Ton- und Klangmaterial ermöglicht – bis hin zu Geräuschen und Klangspektren, die allerdings ohne elektronische Hilfsmittel kaum oder überhaupt nicht wahrgenommen werden können. Und noch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil hatte der traditionelle Faktor: Über die Instrumentalisten war eine Konzertsituation geschaffen, die eine Verbindung zum Publikum ermöglichte.
Im rein elektronischen Teil, in dem Parkinson auf in Echtzeit synthetisch erzeugtes Material von Michael Kurz und Patrizio Pica zugriff, ergab sich eine Situation, die eher an eine technisch-wissenschaftliche Versuchsanordnung erinnerte, als an eine künstlerische Darbietung: Ein unentwegtes Drehen, Schalten und Steuern, das kaum mit dem Gehörten in Verbindung gebracht werden konnte. Dabei wurde deutlich, dass die elektronische Musik ein weiteres Problem hat: Das der praktikablen Darbietung, der Darstellbarkeit.
Kunst ist Ausdruck der Zeit, in der sie entsteht. Wenn dieser Ausdruck hier von einer autistisch anmutenden, emotionslosen Entkoppelung von zeitlichen und räumlichen Kontexten gekennzeichnet war, dann hat auch dieses Vorgehen durchaus seine Berechtigung. Doch der künstlerische Transformationsprozess – sofern überhaupt vorhanden – hatte kein inhaltliches Konzept. Der Fokus blieb auf der Technik, deren Nutzung für Film- und Computerspiel-Musiken in der weit größeren Gunst der breiten Hörerschaft steht, die sich in den künstlerischen Versuchen im experimentellen Bereich offenbar noch weniger zurechtfindet als im analogen Bereich der Neuen Musik.
Anders im multimedialen Genre, das dem zeitgemäßen Prinzip der Vernetzung folgt. Die Verbindung aus Bild, Bewegung, Inhalt und Ton gibt auch emotionalen Aspekten ihren Raum
und macht in der gegenseitigen Befruchtung weit schnellere Fortschritte. Inwiefern sich die einzelnen Medien also für sich alleine weiter entwickeln können, bleibt zu beantworten.