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Innerhalb des „Mozartlabors“ gab Christiane Karg einen Meisterkurs. Am 7. Juli zählt sie zu den Solisten von Beethovens „Ode an die Freude“, die beim G20-Konzert in der Elbphilharmonie erklingen wird. Foto: Susanne van Loon
Innerhalb des „Mozartlabors“ gab Christiane Karg einen Meisterkurs. Am 7. Juli zählt sie zu den Solisten von Beethovens „Ode an die Freude“, die beim G20-Konzert in der Elbphilharmonie erklingen wird. Foto: Susanne van Loon
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Dünne moralische Luft auf dem Gipfel

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Welche Musik passt zum Essen, welche zur politischen Veranstaltung? · Von Martin Hufner
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Orchestermusiker sind auch nur Bürger in Uniform, sie haben zu exerzieren, was man ihnen auf die Pulte stellt, was ein Regisseur ihnen vorinszeniert. Musiker in Dienstverhältnissen müssen dienen. Entweder damit am Ende Musik und Inszenierung zusammenpassen oder damit nicht alle kreuz und quer durcheinander spielen. Eine Musiklehrerin sagte daher einmal, Musikmachen habe nichts mit Demokratie zu tun, sondern sei Diktatur. Das ist gewiss nicht auf alle Formen des Musizierens übertragbar, aber doch regelmäßig auf die traditionelle mit Partitur, Dirigent und Musiker. Es gibt jedoch nicht nur die musikalische Dimension dieses Problems, sondern auch eine gesellschaftliche.

Musik wird regelmäßig aufgeführt für ein mehr oder weniger bestimmtes und bekanntes Publikum. Musik hat nicht nur eine ästhetische Bedeutung, sondern auch eine gesellschaftliche Funktion. Politik greift gesellschaftlich ein und zu. Diese Erkenntnis ist der musikalischen Welt geschichtlich bekannt; sie reicht von kompositorischen Vorschriften bis hin zu Verboten. Der Musik wurde und wird zum Verhängnis, dass sie häufig genug gerade nicht politisch bestimmt ist. Ihre Undeutlichkeit macht sie verdächtig. Ihre Undeutlichkeit verleitet zum Missbrauch. Sie kann aus einem gewachsenen Zusammenhang in einen anderen gestellt werden. Insbesondere in Diktaturen wird die Funktionalisierung auf die Spitze getrieben.

Musik ist politisch, und sie ist unpolitisch zugleich. Entscheidend ist der Zusammenhang, in dem sie zur Aufführung gelangt. Gerade ist ein Streit darüber entbrannt, ob und welche Musik man denn den Mächtigen dieser Welt beim kommenden G20-Gipfel in Hamburgs Elbphilharmonie aufspielen soll. Die teilnehmenden G20-Länder sind: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, USA und die EU. Worum geht es dabei? „Die Staats- und Regierungschefs befassen sich traditio­nell mit Fragen des Wachstums der Weltwirtschaft, des internationalen Handels und der Regulierung der Finanzmärkte.“ Es geht also weder um Kultur oder Moral noch um Bildung oder Unterhaltung. Aber ein Kulturprogramm soll es dennoch geben – unter anderem und offiziell das Konzert mit der Hamburgischen Staatsphilharmonie unter der Leitung von Kent Nagano in der Elbphilharmonie.

In einer ZEIT-Beilage hat Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kritik daran geäußert. Er schreibt den Gestaltern des Konzerts ins Gewissen: „Wenn Künstler vor Großpolitiker treten, dann dürfen sie auf keinen Fall zu deren Dienern werden. Sie müssen etwas anderes öffentlich darstellen: die Schönheit und die Würde der Freiheit, die Bedeutung der Kultur für eine offene Bürgergesellschaft. Deshalb darf die Elbphilharmonie sich nicht einfach dafür hergeben, ein profanes diplomatisches Arbeitstreffen kulturell zu überhöhen.“ Wenn man denn schon Musik aufspielen wollte, dann sollte sie eine bestimmte Haltung transportieren, die den Despoten der Welt in den Ohren klingeln müsste – ästhetische U-Boote in Richtung Diktaturen gewissermaßen.

Gegen diese moralisierende Funktionalisierung der Musik hat sich der Präsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes, Cornelius Hauptmann, in einer ZEIT-Beilage unter der Überschrift „Hier geigen wir“ und in dieser Ausgabe der nmz (Seite 41) gewandt. „Es gab immer Machthaber, die eine bestimmte Art von Musik ablehnten. Ich finde, wenn wir in Deutschland mit Musik eine politische Botschaft aussenden wollen, sollte es eine Friedensbotschaft sein. Wir sollten nicht signalisieren ‚Du bekommst jetzt nur Trotzmusik zu hören‘“.

In beiden Fällen gehen die Kontrahenten jedoch davon aus, dass sich mit Musik irgendetwas oder irgendwer bewegen ließe. Doch glaubt im Ernst jemand daran? Der G20-Gipfel thematisiert nicht die UN-Menschenrechts­charta oder kulturelle, edukative oder religiöse Themen. Mit Musik ist da nichts zu machen, schon gar nicht in diplomatischen Zusammenhängen. Deshalb wirkt der Streit zwischen Claussen und Hauptmann mehr als weltfremd. Anders ist die Intention bei der inoffiziellen Open-Air-Veranstaltung „Global Citizen“, für die sich Musikerinnen und Musiker aus dem Popbereich engagieren; dazu gehören Coldplay, Pharrell Williams, Shakira, Herbert Grönemeyer, Ellie Goulding und Andreas Bourani: „Am 6. Juli werden wir am Abend vor dem G20-Gipfel in der Barclaycard Arena in Hamburg gemeinsam unsere Stimmen erheben, um ein klares Zeichen gegen Armut und Ungleichheit und für internationale Zusammenarbeit und offene Gesellschaften zu setzen.“

In einem Punkt sind sich Hauptmann und Claussen ja sehr einig: „Bitte werft die Neunte Sinfonie von Beethoven mit ihrer Freuden- und Freiheitshymne nicht Autokraten zu Füßen, bloß weil sie so festlich ist“, mahnt Claussen. Und Hauptmann sagt in der nmz: „Ich bin gegen Trotzmusik, ich bin aber auch gegen Triumphmusik. Deswegen würde ‚Freude, schöner Götterfunken‘ genau so wenig passen …“ Nun raten Sie mal, was gespielt wird. „Das Orchester wird Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie spielen“, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert und nicht etwa Kent Nagano oder sein Orchestervorstand mit. Diese Pointe ist so tragisch wie heilsam. Hier geigen nicht wir, sondern die Politik.

Damit zurück zum Anfang. Wäre es nicht ein Zeichen demokratischen und künstlerischen Zivilungehorsams, wenn sich nun die Musikerinnen und Musiker weigerten, sich in dieser oder in anderer Form instrumentalisieren zu lassen?

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