Provinz? In Karlsruhe ist nicht nur der Philosoph Peter Sloterdijk, sondern auch ein Weltstar der zeitgenössischen Musik zu Hause: Der Komponist Wolfgang Rihm wird 65 Jahre alt.
Die internationale Musikszene feiert einen ihrer Stars: Zum 65. Geburtstag (13.3.) des Gegenwartskomponisten Wolfgang Rihm ist eine Fülle von Konzerten und Veranstaltungen geplant, die sich allein dem inzwischen schier unüberschaubaren Werk des weltbekannten Künstlers widmet. Mehr als 400 Kompositionen listet sein Werkverzeichnis auf. Das reicht vom nur wenige Sekunden langen Klavierwalzer bis zum fast zweistündigen Monsterballett für großes Orchester „Tutuguri“.
Rihm beliefert regelmäßig die internationalen Opernhäuser, Kammermusiker reißen sich um Uraufführungen seiner Werke. Und wenn man, wie jüngst geschehen, für die Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie ein repräsentatives Stück braucht, schmückt man sich gerne mit einem „neuen Rihm“. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nannte ihn in einem Glückwunschschreiben eine „wahre Institution“ in der gegenwärtigen Kultur- und Musikwelt. Wolfgang Rihm bekennt sich zur Provinz und komponiert für die Welt.
Seit seiner Geburt wohnt er in Karlsruhe. Bereits als Elfjähriger begann er zu komponieren. Noch während seiner Schulzeit studierte er Komposition bei Eugen Werner Velte an der Hochschule für Musik in Karlsruhe. Seit 1985 ist er dessen Nachfolger als Kompositionsprofessor. Prägende Lehrer wurden Wolfgang Fortner und Karlheinz Stockhausen. Aber auch Komponistenfreunde wie Luigi Nono und Wilhelm Killmayer hinterließen Spuren in Rihms Werken – wobei Nono für rigide kompositorische Strenge steht, Killmayer für spielerische Offenheit.
Rihms Musik ist populär, ohne sich anzubiedern. „Crossover“ ist für ihn ein Gräuel, er nennt es „Verbindungsgematsche“. Die kompositorischen Mittel der Avantgarde beherrscht er ebenso virtuos wie traditionelle Techniken. Stets gelingt es ihm, die Hörer emotional mitzureißen. Das hat dazu geführt, dass er einer der wenigen Komponisten ist, deren Werke Eingang ins normale Repertoire gefunden haben. Die Liste der Preise und Auszeichnungen, die Rihm eingeheimst hat, ist lang. Darüber freut er sich, weiß aber auch: „Durch einen Preis bekommt man nicht gesagt, wie die nächste Note heißt.“
Rihms Musik ist oft auch düster. Sein Orchesterstück „Dunkles Spiel“ etwa ist vom Klang der tiefen Instrumente – Bassklarinette, Kontrafagott, Celli und Kontrabässe – geprägt. Bei „Mehrere kurze Walzer“ für Klavier zu vier Händen wiederum geht es spielerisch-elegant zu, um plötzlich in wilde Ausbrüche umzuschlagen.
Es sind ebenso geniale wie leichte Miniaturen, für Freunde komponiert. Auch junge Klavieranfänger können so zu Hause einen „echten Rihm“ aufführen.
Wolfgang Rihm ist ein „Schreibmusiker und Musikschreiber“ und in der Vereinigung beider Formen der „charakteristischste Kopf unserer Zeit“ - so hat ihn die Jury des Robert-Schumann-Preises für Dichtung und Musik anlässlich der Ehrung Ende 2014 beschrieben. Der Vater zweier erwachsener Kinder, der mit seiner Lebensgefährtin in Karlsruhe lebt, ist ein Kunstkenner und Feinschmecker. Wie er so ein umfangreiches Werk schaffen kann, ist vielen ein Rätsel. Aber Rihm ist eben auch ein hochdisziplinierter Arbeiter. Parole: „Abends Wein, tagsüber nur Wasser!“ Oder, wie es sein im vergangenen Jahr gestorbener Komponistenfreund Pierre Boulez beschrieb: „Rihm ist ein Musiker, der über eine äußerst beneidenswerte erfinderische Leichtigkeit verfügt.“