Wenn schon „Berliner Verhältnisse“, sprich: Werkdoppelungen, weil sich die Herren Intendanten nicht miteinander abstimmen – dann wäre doch schön, wenn die Bühnenergebnisse zeigen, dass Klassiker eben herrlich vielfältig ausdeutbar sind. Nach David Boeschs abseitig trashiger Verbiegung von Leoš Janáčeks „Abenteuer der Füchsin Schlaukopf“ mit dem Opernstudio der Staatsoper im Cuvilliéstheater vor acht Tagen schien die ehemalige Choreographin Rosamund Gilmore für die Koproduktion von Gärtnerplatz-Ensemble und Theaterakademie eine treffliche Wahl: das von Janáček stets tänzerisch-rhythmisch durchpulste Mit- und Ineinander von Mensch und Tier im Wald und speziell die angehenden Sänger der Akademie brauchen nicht nur übliche Regie.
Als sich der Vorhang während des Vorspiels öffnete, wuchs sich die zunächst optische Befürchtung sehr schnell zur inszenatorischen Realität aus: Gilmore und ihr Bühnenbildner Heinrich Oberle verlegten die Handlung in ein etwas heruntergekommenes Dorf-Klassenzimmer von Einst; der Förster agierte als Lehrer (obwohl es einen pedantisch-trockenen Lehrer im Werk gibt); die Schüler trugen Kostüme mit kleinen Besonderheiten, durch die Nicola Reichert ihren Tier-Charakter hübsch andeutete; in den Raum wuchs der Wald mit über 25 kleinen Tannenbäumchen gleichsam herein; im 2.Akt waren einige Bäume größer geworden, im 3. dann nur noch bühnenhohe, verdorrt wirkende Stämme.
Dieser Einheitsraum erwies sich jedoch sehr schnell als einengendes Korsett, dramaturgisch wie inszenatorisch wie tänzerisch – vor allem aber auch für die Phantasie des Zuschauers. Der offene Umbau von Schulbänken zum Wirtshaustisch, zum diffizilen Hochweg des betrunkenen Lehrers oder zum Halbrund bei der Trauung von Füchsin und Fuchs wirkte nur wie „Arbeit und Aufgabe“. Auch die Lichtregie konnte den Raum nicht verwandeln, weder zur Feier stets neuer und auch verblasster Erotik, noch zur Realität von Fressen und Gefressenwerden, noch zum Hymnus auf Werden und Vergehen. Da sprang kein Funke über wie in früheren Gilmore-Inszenierungen.
Das war umso mehr zu bedauern, als die musikalische Seite und das ganze Ensemble glänzten. Dirigent Andreas Kowalewitz und das in den Soloinstrumenten farbig funkelnde Gärtnerplatzorchester trafen Janáčeks Tonfall, diesen oftmals herb-kantigen Herzschlagrhythmus, aus dem dann anrührende Melodik aufblüht und sich hymnisch steigert. Auf der Bühne beeindruckten neben den bewährten Staatstheater-Solisten – etwa Derrick Ballards lebensmüdem Förster, Cornel Freys akkuratem Lehrer, Sebastian Campiones rundlich-gemütlichem Pfarrer wie Dachs – auch die Gesangsstudenten von Musikhochschule und Theaterakademie bis in die kleinen Tierrollen.
Soomin Yu war ein stolzer Fuchs mit schönem Sopran, der noch überstrahlt wurde von Maria Celengs reizender Füchsin voller Agilität. Sie steigerte ihre Rolle vokal von „jungfüchsischer“ Lieblichkeit zur kämpferisch wilden „Freiheits“-Attacke und fast veristischen Leidenschaftsausbrüchen, dass der Stimmfreund beim Hören derartig überbordender Frühreife fast Sorge um ihre vokale Weitentwicklung bekam – ein herausragende Begabung, von der sicher bald zu hören sein wird. Für sie und die ganze musikalische Seite war der einhellige Jubel berechtigt.